Süddeutsche Zeitung

Kim Jong Il:Diktator von Chinas Gnaden

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Nordkoreas Erbdynastie steuert offenbar auf einen dritten "Geliebten Führer" zu. Jedoch wird die Haltung Chinas für die Zukunft des Landes entscheidend sein.

Henrik Bork

Auch Nordkorea twittert jetzt. Die erste Botschaft erschien vor zwei Wochen, geschrieben von einem Nutzer namens "@uriminzok", und teilte mit, die großartigen Angebote auf der patriotischen Webseite "Unsere Nation" seien von jetzt an noch besser zu verfolgen. Allerdings hapert es etwas mit der Aktualität bei Nordkoreas Kommunikation im Netz: In einem der ersten Tweets ging es um einen Aufsatz Kim Jong Ils zur Wiedervereinigung aus dem Jahr 1997.

Neuere Nachrichten sind hingegen schwerer zu bekommen. So kursieren wieder einmal Spekulationen über einen bevorstehenden Dynastiewechsel in Nordkorea. Der "Geliebte Führer" soll sich derzeit erneut auf einer seiner spontanen Reisen durch China befinden; sein Sohn Kim Jong Un, designierter Nachfolger des Parteichefs, soll mit von der Partie sein.

Vom Schlaganfall gezeichnet

Zahlreiche Beobachter sehen in der Vorbereitung der Nachfolge in Pjöngjang den Grund für diese zweite Chinareise innerhalb weniger Monate. China, der einzige und mächtige Mentor des wirtschaftlich ruinierten Nordkorea, solle, so heißt es, den geplanten Machtwechsel absegnen. Aus der nordkoreanischen Hauptstadt gibt es auf solche Mutmaßungen, wie stets, keine Antwort. Man ist klaustrophob und hält sich bedeckt.

Es gilt aber inzwischen als einigermaßen sicher, dass sich Kim senior nur mühsam von einem Schlaganfall aus dem Jahr 2008 erholt hat. Eine Reihe von politischen Ereignissen hat seither die Annahme befördert, der 25- bis 28-jährige Kim Jong Un (Genaueres über sein Alter ist nicht bekannt) sei zum dritten Herrscher in der ersten kommunistischen Erbdynastie der Weltgeschichte auserkoren worden. Kim Jong Il selbst hatte das Zepter einst von seinem Vater Kim Il Sung übernommen.

Denn zum einen war Kim Jong Un mehrfach an der Seite seines Vaters gesichtet worden, als dieser militärische Einrichtungen inspizierte. Auch wird die Beförderung des Kim senior nahestehenden Karrierepolitikers Jang Song Taek so gedeutet, dass die geplante Krönung Kim juniors mit Hilfe einer Machtkonsolidierung des inneren Führungszirkels vorbereitet werden muss. Die kürzlich erfolgte Versenkung einer südkoreanischen Korvette wiederum, bei der 46 Matrosen ums Leben kamen, wird von Geheimdienstlern in Südkorea als Werk des jungen Kims angesehen, der sich selbst im Militär die nötigen Sporen verdienen müsse. Harte Fakten, die solche Thesen bestätigen, gibt es allerdings nicht.

Als Kim Jong Il selbst nach dem plötzlichen Tod seines Vaters am 8. Juli 1994 die Macht übernahm, hatten sich viele Beobachter Hoffnungen auf politische Reformen in Nordkorea gemacht. Sie wurden enttäuscht: Nicht nur hat es drei Jahre gedauert, bis Kim Jong Il seine Macht konsolidiert hatte. Er erwies sich später auch als ein treuer Schüler seines Erzeugers, der den Westen mit seiner nuklearen Erpressungspolitik herausforderte. Ähnlich könnte es der Welt nun mit dem dritten Kim ergehen, dessen Foto die leidgeprüften Nordkoreaner wohl neben die anderen zwei Führerbilder in ihre Wohnzimmer hängen müssen.

Chinas Haltung wird für die Zukunft Nordkoreas entscheidend sein. Auch hier deutet wenig auf einen Wechsel des bisherigen Kurses hin. Zwar wird die aggressive Drohpolitik seines Nachbarn und politischen Ziehkindes Nordkorea für die Volksrepublik zunehmend zu einer internationalen Peinlichkeit. Auch aus Kreisen chinesischer Intellektueller heraus wird die Parteiführung in Peking mittlerweile in offenen Briefen dazu aufgefordert, endlich den Schmusekurs gegenüber Pjöngjang zu beenden.

Doch Chinas Kommunisten denken vor allem geostrategisch und wollen amerikanische Truppen an ihrer Grenze zur koreanischen Halbinsel um jeden Preis vermeiden. Gut möglich, dass Kim junior noch oft ins befreundete China reisen wird. Diktator in Nordkorea - das war und ist vorerst dank China ein krisensicherer Job.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2010
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