Süddeutsche Zeitung

Katholische Kirche:"Verheerend für uns alle"

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Der Münchner Kardinal Marx verurteilt das Verhalten seines Kölner Amtsbruders Woelki bei der Aufklärung sexueller Gewalt.

Von Detlef Esslinger und Annette Zoch, München

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat bereits vor acht Jahren 97 000 Euro für Opfer von sexueller Gewalt aus seinem privaten Vermögen gespendet. Dies sagte Marx in einem Interview der Süddeutschen Zeitung. Er habe damals auf diese Weise einen "beträchtlichen" Teil der Summe übernommen, die das Erzbistum München und Freising als "Anerkennungsleistung für die damals bekannten Betroffenen" zahlte. Vor einigen Tagen hatte Marx zusätzlich bekannt gegeben, dass er nun weitere 500 000 Euro aus seinem Vermögen spenden wird. Damit soll eine Stiftung eingerichtet werden, die den von sexueller Gewalt Betroffenen hilft.

Marx machte in dem Interview auch seinem Kölner Amtsbruder, Kardinal Rainer Maria Woelki, schwere Vorwürfe - und gab zudem zu erkennen, dass er bei der weiteren Aufklärung des Missbrauchsskandals auch den emeritierten Papst Benedikt XVI. nicht zu schonen beabsichtigt. Woelki war Ende Oktober von dem Versprechen abgerückt, ein Gutachten zu veröffentlichen, das er bei einer Münchner Anwaltskanzlei in Auftrag gegeben hatte. Es sollte klären, wie das Erzbistum Köln früher mit Missbrauchsvorwürfen gegen Priester umgegangen war: wer dort etwas vertuscht hatte oder Verdächtige geschont hatte. Kardinal Marx nannte Woelkis Rückzieher "verheerend für uns alle".

Für das Erzbistum München und Freising arbeitet derzeit dieselbe Kanzlei an einem Gutachten, das das Verhalten einstiger Amtsträger hier beleuchten soll. "Ich gehe davon aus, dass das Gutachten im neuen Jahr veröffentlicht wird, wann, kann ich noch nicht genau sagen", sagte Marx. Das Projekt gilt deshalb als besonders heikel, weil es nicht nur die Amtszeit von Marx' Vorgänger Friedrich Wetter umfasst, der von 1982 bis 2008 das Erzbistum leitete - sondern auch die von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. Er war der Erzbischof von 1977 bis 1982. Auf die Frage, ob das Gutachten auch dann veröffentlicht werde, falls Ratzinger darin nicht gut wegkomme, antwortete Marx: Es "sollen Verantwortliche benannt werden". Alle wüssten, "wer in den vergangenen Jahrzehnten Erzbischof von München und Freising war oder andere Verantwortung hier hatte, mich eingeschlossen".

Marx steht seit gut zwölf Jahren an der Spitze des Erzbistums München und Freising, zusätzlich war er seit 2014 sechs Jahre lang Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Er deutete an, dass er mit der Bekanntgabe seiner früheren Spende und der Entscheidung für die neue Spende gewartet habe, bis er die Bischofskonferenz nicht mehr leite. Er sei nun "etwas freier" und habe auch jetzt schon kritische Fragen gehört, zum Beispiel: "Wieso hat der so viel Geld?" Die Antwort sei "ganz einfach: Weil er's nicht ausgegeben hat". Er habe keine teuren Hobbys, er kaufe Bücher, "und ab und zu muss eine Zigarre drin sein". Als Erzbischof wird Marx gemäß der Besoldungsstufe B 10 bezahlt. Das entspricht etwa 13 600 Euro im Monat.

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