Süddeutsche Zeitung

Zentralasien:Wie heißt die Hauptstadt von Kasachstan?

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Schon wieder wird die glitzernde kasachische Kapitale umbenannt: diesmal von Nur-Sultan zurück zu Astana. Dahinter steckt eine politische Zäsur.

Von Frank Nienhuysen, München

Es begann mit einem Irrtum, denn dass die neue Hauptstadt "Weiße Grabstätte" hieß, hat Kasachstan schnell geändert. Akmola war 1997 zur Kapitale des jungen unabhängigen Landes geworden, doch der makaber klingende Name erschien nicht angemessen für eine repräsentative Stadt. Umso nüchterner war die Umbenennung im Jahr darauf: Aus Akmola wurde Astana. Astana bedeutet schlicht Hauptstadt. Und die Hauptstadt sollte schön werden.

Goldfarbene Bürotürme entstanden, die wie Kaffeekannen aussehen, Sir Norman Foster baute in Astana eine Pyramide, den "Palast des Friedens und der Eintracht", in dem vor wenigen Tagen der Papst zu einem Weltkongress erschien. Ein 150 Meter hohes Zelt umwölbt ein modernes Einkaufszentrum, es funkeln Moscheekuppeln, Hochhäuser und hoch oben die Kugel auf dem Bajterek-Turm, dem neuen Wahrzeichen.

Der mehr als zwei Jahrzehnte herrschende Präsident Nursultan Nasarbajew schuf die Stadt nach seinem Geschmack, ein exotisch-glitzerndes Kleinod inmitten der zentralasiatischen Steppe. Astana war seine Hauptstadt. Und als er sich 2019 als Staatschef von seinem Amt zurückzog, allerdings weiterhin "Anführer der Nation" blieb, war es in dem autoritär geführten Land fast folgerichtig, dass die Hauptstadt ihm zu Ehren seinen Namen erhielt: Astana wurde umbenannt in Nur-Sultan.

Landkarten, Schilder und Adressen mussten ausgetauscht werden, Bevölkerung, Touristen, Geschäftsleute und Fluggesellschaften sich auf einen neuen Namen umstellen. Jetzt, nur drei Jahre später, wird der Name der kasachischen Hauptstadt erneut zurück abgewickelt: Nur-Sultan wird wieder Astana heißen.

Nasarbajews Handabdruck löst ein patriotisches Lied aus

Das kasachische Parlament billigte am Freitag einen Gesetzentwurf, den der neue Präsident Kassym-Schomart Tokajew bereits gutgeheißen hatte. "Wir halten es für falsch, dass eine Stadt nach einer Person zu ihren Lebzeiten benannt ist", sagte einer der Abgeordneten, Edil Schanbyrschin. Außerdem hätten die Menschen den neuen Hauptstadtnamen einfach nicht angenommen.

Der Hauptstadtname Nur-Sultan ist der höchste Ausdruck des Personenkults gewesen, denn nach Nursultan Nasarbajew sind unter anderem bereits der internationale Flughafen und das moderne Nasarbajew-Zentrum benannt, ein Kulturinstitut samt Bibliothek und Porträtserie des langjährigen Präsidenten. Bizarr ist vor allem sein Handabdruck oben im Bajterek-Turm, der ein patriotisches Lied auslöst, wenn jemand seine Hand einlegt.

Nasarbajews Nachfolger Tokajew will sich allerdings lösen vom Erbe des unbeliebt gewordenen Ex-Herrschers, den viele Kasachinnen und Kasachen für Repressionen verantwortlich machen. Tokajew wirbt nun für "ein neues Kasachstan", in dem "Richterinnen und Richter hochqualifiziert, ehrlich und frei von Korruption" seien, "der Druck der Regierung auf sie beendet" würde und das Parlament gestärkt. Wie sehr alles mit allem zusammenhängt, zeigt die Parlamentssitzung vom Freitag. Neben der Umbenennung von Nur-Sultan in Astana stimmten die Abgeordneten auch für Tokajews Reformagenda.

Demnach wird die Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre erhöht, aber auf eine Periode begrenzt. Tokajew dürfte von der Gesetzesnovelle profitieren und bei der vorgezogenen Neuwahl im Herbst noch mal antreten, offiziell das einzige Mal für dann sieben Jahre. Kritiker wie die Politikwissenschaftlerin Sofya du Boulay haben allerdings Zweifel an einem schnellen Wandel. "Demokratisierung und politischer Wettbewerb gehören nicht zum Kern von Tokajews Agenda", sagte sie der Plattform Eurasianet.org. Mit der vorgezogenen Wahl auch des Parlaments werde die bisher marginalisierte Opposition überrumpelt. In jedem Fall gilt: Das Machtzentrum heißt wieder Astana.

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