Süddeutsche Zeitung

Kämpfe in Tripolis:Siegreiche Rebellen jagen Gaddafi

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Sie suchen ihn "wie eine Stecknadel": Am Rande der libyschen Hauptstadt Tripolis feiern die Rebellen bereits ihren Sieg - und planen, was mit Muammar al-Gaddafi geschehen soll, wenn sie ihn finden. Ihren militärischen Erfolg verdanken die Aufständischen vor allem den westlichen Alliierten, die, wie jetzt ans Licht kommt, auch Spezialtruppen am Boden einsetzten - und damit das Nato-Mandat durchbrochen haben.

Der Kampf um die libysche Hauptstadt Tripolis steht vor dem Ende. Nachdem die Rebellen am Sonntag in die Stadt eingedrungen waren, feierten sie am Montag auf dem "Grünen Platz" am Rande der Altstadt, wo Oberst Muammar al-Gaddafi seine Reden an das Volk zu halten pflegte, ihren Sieg. Den Diktator selbst haben sie noch nicht gefunden. Er werde "wie eine Stecknadel" gesucht, sagte der Londoner Vertreter der Rebellen-Regierung von Bengasi, Mahmud Nacua.

An vielen Stellen von Tripolis wurde noch geschossen. In Teilen der Stadt, so am Hafen und um den Kasernen-Komplex von Bab Asisijah, dem Hauptquartier Gaddafis, standen weiterhin Panzer der Regierungstruppen. Ob sich Gaddafi dort aufhält oder ob er sich schon vor dem Eindringen der Rebellen zu befreundeten Stämmen abgesetzt hat, ist unbekannt.

Im Falle seiner Festnahme solle Gaddafi "gut behandelt" werden, sagte Rebellen-Vertreter Nacua. Das Gleiche gelte für seinen Sohn Saif al-Islam, der sich bereits seit Sonntag in den Händen der Aufständischen befinde, sagte Mustafa Abdel Jalil, der Chef des Nationalen Übergangsrates in Bengasi. Ob die Beschuldigten an das Internationale Gericht in Den Haag ausgeliefert oder in Libyen abgeurteilt werden, haben die neuen Machthaber noch nicht entschieden.

Der Übergangsrat entsandte am Montag ein Vorkommando nach Tripolis, um seine Übersiedlung in die Hauptstadt vorzubereiten. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy lud Jalil am Montag nach Paris ein. Da die Nato-Unterstützung für die Rebellen im Frühling auf Initiative des französischen Staatschefs beschlossen wurde, will Sarkozy den Erfolg nutzen.

Frankreich sei "ein kalkuliertes Risiko" eingegangen, sagte Außenminister Alain Juppé am Montag, habe sich aber für eine gerechte Sache eingesetzt. Für die kommende Woche hat Frankreich nach den Worten Juppés ein Treffen der Libyen-Kontaktgruppe auf höchster Ebene in Paris vorgeschlagen.

US-Angriffe waren maßgeblich für Erfolge der Rebellen

Für das unerwartet rasche Vorrücken der Rebellen auf Tripolis waren die verstärkten Luftangriffe der Nato in den letzten Tagen entscheidend. Auch die Amerikaner beteiligten sich wieder mit unbemannten Predator-Drohnen an der Luftoffensive, die das Ziel hatte, den Aufständischen den Weg freizuschießen. Allein hätten sie, wie Militärexperten diskret enthüllen, den Durchbruch nicht geschafft.

Noch weniger wird an die große Glocke gehängt, dass französische, britische und amerikanische Spezialtruppen das Vorgehen der Rebellen auf dem Boden unterstützten. Das UN-Mandat für den Nato-Einsatz, das auf Schutz der libyschen Bevölkerung vor Gaddafis Unterdrückungsapparat lautet, wurde damit klar durchbrochen.

Einflussreiche Sintan-Stämme zu Aufständischen übergelaufen

Insgesamt flogen die alliierten Luftwaffen in sechs Monaten 7459 Einsätze. Weiter trug zum Erfolg der Rebellen bei, dass vor einer Woche die Sintan-Stämme im Westen Libyens auf ihre Seite übertraten. Dadurch wurde Gaddafis strategische Verbindung nach Tunesien abgeschnitten, und die Aufständischen konnten Sauwijah, 50 Kilometer westlich von Tripolis, einnehmen.

Die kriegerischen Sintan-Stämme, die sich beim Widerstand gegen die italienische Kolonialmacht hervortaten, hatten im derzeitigen Konflikt lange laviert und mit dem Gaddafi-Regime über Vergünstigungen verhandelt. Auch jetzt haben sie sich dem Übergangsrat von Bengasi nicht untergeordnet, sondern wahren ihre Unabhängigkeit. In den Straßen Tripolis' waren am Montag neben den Kämpfern aus dem Osten Libyens viele Sintan-Stammesleute zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 23.08.2011
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