Tilman Kuban:Heftige Kritik an neuem JU-Chef nach Klage über "Gleichschaltung"
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Beim Begriff "Gleichschaltung" denkt man für gewöhnlich ans Dritte Reich und nicht an den CDU-Jugendverband. Von einer "Gleichschaltung" haben die Nazis gesprochen, als sie Staatsapparat, Parteien, Verbände und Medien ihren politischen Zielen unterwarfen. Doch der neue Chef der Jungen Union Tilman Kuban hat den Begriff mit Blick auf seine Partei verwendet und steht nun unter Kritik.
Kuban sagte im Gespräch mit der Welt, er vermisse kontroverse Diskussionen in der Partei. "In den letzten Jahren haben sich viele in der CDU nicht mehr wohlgefühlt, weil wir bei unserer Ausrichtung eine Gleichschaltung erlebt haben. Wir brauchen wieder drei Flügel und Persönlichkeiten, die ihre Meinung sagen."
Sven Kindler, Abgeordneter der Grünen im Bundestag, reagierte empört. Gleichschaltung sei die Strategie der Nazis für die Entfernung von Juden und Oppositionellen aus Staat und Gesellschaft gewesen, schrieb er auf Twitter. "Damit relativiert Kuban den Nationalsozialismus. Er klingt eins zu eins wie Gauland und Höcke." Gemeint sind AfD-Chef Alexander Gauland und der AfD-Landeschef in Thüringen, Björn Höcke.
Die stellvertretende CDU-Chefin und Agrarministerin Julia Klöckner ging auf Distanz. In einer Volkspartei gebe es viele Meinungen, schrieb sie auf Twitter. "Auf Parteitagen wird abgestimmt, die Mehrheit entscheidet. Gleichschaltung gibt es in Systemen, in denen wir als Demokraten zum Glück nicht leben."
Auch der niedersächsische CDU-Vorsitzende Bernd Althusmann kritisierte die Äußerungen Kubans. "Von einer Gleichschaltung einer demokratisch verfassten Volkspartei CDU zu sprechen, ist nicht akzeptabel", sagte Althusmann am Samstag einer Mitteilung zufolge. Kuban sei über das Ziel hinausgeschossen."Daher bin ich ihm dankbar, dass er seine Äußerung inzwischen klargestellt und sich entschuldigt hat."
Am Samstag ruderte Kuban zurück und erklärte, seine Wortwahl sei "unpassend" gewesen. Er stehe aber dazu, dass andere Meinungen nicht von oben tabuisiert werden dürften. In dem Interview hatte er Kritik an der Parteispitze und an Kanzlerin Angela Merkel geübt. Er kritisierte Merkels Entscheidung, während der EU-Verteilungskrise 2015 viele Geflüchtete aufzunehmen und sprach von einer "Grenzöffnung" mit unklarer Rechtslage. Außerdem kritisierte er den Atomausstieg und die Abschaffung der Wehrpflicht.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil war von Kubans Distanzierung nicht überzeugt und vermutete Kalkül: "Erst ein Tabu brechen, dann zurückrudern. Das ist rechte Masche, die sich der neue Chef der Jungen Union mit seiner Äußerung zu eigen macht. Kuban will die Union ganz offensichtlich inhaltlich und rhetorisch weiter nach rechts rücken", sagte Klingbeil dem Spiegel.
Der 31-Jährige war erst vor einer Woche an die Spitze der JU gewählt worden, mit mehr als 100 000 Mitgliedern die größte politische Jugendorganisation Europas. Neuwahlen wurden bei der JU notwendig, nachdem Ziemiak zum Generalsekretär der CDU gewählt worden war und er das Amt des JU Vorsitzenden aufgeben musste.
Seit drei Jahren ist der Jurist Kuban Leiter der Rechtsabteilung bei den Unternehmerverbänden Niedersachsen. Der als äußerst konservativ bekannte Kuban kandidiert auf einem aussichtsreichen Listenplatz bei der Europawahl Ende Mai.