Süddeutsche Zeitung

Judentum:Unterstützer Homolkas gehen in die Offensive

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Die Union progressiver Juden legt im Konflikt um den Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs ein eigenes Gutachten vor. Der Rabbiner selbst will juristisch gegen die Uni vorgehen.

Von Annette Zoch

Hat Rabbiner Walter Homolka, der Gründer und Rektor des Potsdamer Abraham-Geiger-Kollegs, seine Macht missbraucht? Eine Untersuchung der Uni Potsdam sah diese Vorwürfe Ende Oktober teilweise als bestätigt an. Nun meldete sich die Union progressiver Juden (UPJ) in Deutschland zu Wort, sie verteidigt ihren ehemaligen Vorsitzenden und legt ein eigenes Gutachten vor. Das Abraham-Geiger-Kolleg ist das erste Rabbinerseminar in Zentraleuropa seit der Schoah und ist dem Reformjudentum zuzurechnen.

Ein kurzer Rückblick: Im Mai 2022 wurden erstmals Vorwürfe gegen Homolka und dessen Lebensgefährten laut. Der Lebensgefährte, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am AGK arbeitete, soll einen pornografischen Clip an einen Studierenden des AGK geschickt haben. Er wurde entlassen, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Geringfügigkeit eingestellt. Gegen Homolka wurden gleichzeitig Vorwürfe des Machtmissbrauchs laut: Er habe Studierende angeschrien und verbal herabgewürdigt und am Kolleg ein Klima der Angst geschaffen. Homolka ließ daraufhin alle Ämter ruhen, die Uni Potsdam kündigte eine Untersuchung an.

Neues Gutachten weist auf die Autonomie von Religionsgemeinschaften hin

Diese Untersuchung war Ende Oktober veröffentlicht worden. Darin entlastete die fünfköpfige Untersuchungskommission der Universität Homolka zwar von dem Vorwurf, er habe die sexuellen Belästigungen seines Partners toleriert, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Dafür attestierte die Uni-Kommission Homolka eine "Ausnutzung institutioneller Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse". Dabei seien Entscheidungen gefallen, "die den weiteren Lebens- und Karriereweg der Betroffenen sehr negativ beeinflussten und für die Herrn Homolka wegen der Fülle seiner direkten und indirekten Einflussmöglichkeiten die Verantwortung persönlich zugeschrieben wurden".

Nun meldet sich die Union progressiver Juden (UPJ) mit einer anderen Einschätzung zu Wort: "Es war kein Machtmissbrauch", heißt es in einer Erklärung des Dachverbands, dem rund 30 liberale Gemeinden angehören. Walter Homolka selbst ist ihr Vorsitzender, aber derzeit lässt er sein Amt ruhen. Die UPJ gab ihrerseits ein Gutachten bei Rainer Rausch in Auftrag. Rausch ist Professor für evangelisches Kirchenrecht, er untersuchte vor allem religionsverfassungsrechtliche Aspekte.

Rauchs Fazit: Das Gutachten der Uni Potsdam vermische unzulässig die Bereiche Staat, Universität und Religionsgemeinschaft. Letztere genießen das verfassungsmäßig garantierte Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. "Es ist nicht Aufgabe der Universität, akademische Maßstäbe dienstrechtlich bei einer rein religiösen Ausbildung anzuwenden", schreibt der evangelische Kirchenrechtler.

Auch die Union progressiver Juden verweist auf das Selbstbestimmungsrecht: Am AGK gehe es darum, geeignete Kandidaten für die Zulassung zum Rabbinat auszubilden. Es sei deshalb "keineswegs überraschend, dass nicht alle, die zunächst in das Abraham-Geiger-Kolleg aufgenommen werden, schließlich auch die Ordination erhielten", erklärten die UPJ-Vorstandsmitglieder Alexandra Khariakova und Inna Shames. Dieser selektive Prozess sei "genau der Zweck eines rabbinischen Seminars zum Nutzen der größeren jüdischen Gemeinschaft".

Die Allgemeine Rabbinerkonferenz fordert, die Ausbildung neu zu ordnen

Das AGK ist ein so genanntes An-Institut der Uni Potsdam. Rabbinats-Kandidaten absolvieren am AGK den religiösen Teil der Ausbildung und an der Universität den akademischen Teil. Rausch kritisierte auch den von der Universitäts-Kommission erhobenen Vorwurf der Ämterhäufung: An der Universität Potsdam sei Homolka nur Professor und in die universitäre Selbstverwaltung regulär eingebunden. Über weitere, religiöse Ämter dürfe weder das Land Brandenburg noch die Universität befinden.

Gleichwohl forderte die Allgemeine Rabbinerkonferenz, der Zusammenschluss der liberalen Rabbinerinnen und Rabbinern in Deutschland, die Ausbildung am AGK neu aufzustellen, um "Intransparenz, Machtmissbrauch und jede Form von anders geartetem Missbrauch" zu verhindern. Das AGK soll in eine unabhängige Ausbildungsstiftung überführt werden. Die Causa Homolka wird auch innerhalb der Rabbinerkonferenz kontrovers diskutiert. Erst vor zwei Wochen hatten sich 15 Mitglieder von Homolka distanziert.

Homolka kündigte an, juristisch gegen die Universität vorgehen zu wollen. Auch wenn die Bewertung der Universität rechtlich und disziplinarisch zu keinen Konsequenzen geführt habe, sei ein "Reputationsschaden" entstanden, so Homolka.

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