Süddeutsche Zeitung

Gewalttaten:Kugeln gegen Recherchen

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Von Hannes Munzinger

Der Mord an Daphne Caruana Galizia geschah in aller Öffentlichkeit, an einem sonnigen Nachmittag, auf offener Straße, mit einer Autobombe, deren Detonation kilometerweit zu hören war. Der Anschlag war ein Signal an alle Journalisten in Malta, dass sie nicht mehr sicher sind.

Morde an Journalisten geschehen in Lateinamerika und afrikanischen Staaten in trauriger Regelmäßigkeit. In Mexiko starben laut einer Zählung der Organisation Reporter ohne Grenzen in diesem Jahr allein bis Juli mindestens acht Journalisten wegen ihrer Recherchen. Weltweit sind es demnach seit Beginn des Jahres schon 49. Laut einer Erhebung des Komitees zum Schutz von Journalisten wurden seit 2010 weltweit mindestens 550 Journalisten wegen oder bei ihren Recherchen getötet.

"Die große Mehrzahl der Journalistenmorde weltweit wird nie aufgeklärt"

In der Europäischen Union war es vor dem Mord an Daphne Caruana Galizia schwer vorstellbar gewesen, dass Journalisten für ihre Arbeit mit dem Leben bezahlen. Aber schon wenige Monate nach dem Anschlag in Malta erschossen mutmaßliche Auftragsmörder den slowakischen Journalisten Ján Kuciak und dessen Verlobte. Kuciak hatte zu Korruptionsvorwürfen gegen Politiker und Geschäftsleute recherchiert. Vor wenigen Wochen wurde in der Folge der Unternehmer Marián Kočner angeklagt. Er soll der Staatsanwaltschaft zufolge den Mord in Auftrag gegeben haben.

Ján Kuciak und Daphne Caruana Galizia hatten beide auch zu den Panama Papers recherchiert, die der Süddeutschen Zeitung zugespielt worden waren. Einer Studie des Reuters-Instituts für Journalismusforschung zufolge hatte die Berichterstattung über die Panama Papers in beinahe jedem fünften Land negative Konsequenzen für Journalisten.

In Russland etwa wurde der Chefredakteur der Zeitung Nowaj a Gazeta erpresst. Einige Offizielle forderten, dass er die Geschichten nicht veröffentliche. In der Türkei wurden Journalisten der Zeitung Cumhuriyet bedroht. Deren ehemaliger Chefredakteur Can Dündar entkam im Mai 2016 nur knapp einem Attentat. Er wartete vor einem Gerichtsgebäude in Istanbul auf die Urteilsverkündung in einem Verfahren gegen ihn, als ein Angreifer auf ihn schoss und einen Fernsehjournalisten an der Wade verletzte. Dündar lebt heute im Exil in Deutschland.

Journalisten, die zu Umweltproblemen recherchieren, sind besonders in Gefahr

"Die große Mehrzahl der Journalistenmorde weltweit wird nie aufgeklärt, Mörder und eventuelle Auftraggeber kommen straflos davon", sagte Christian Mihr, der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, der SZ. "In der Slowakei und nun endlich auch auf Malta deutet sich aber an, dass wenigstens diese Taten nicht straflos bleiben."

Um bedrohte Journalisten unterstützen zu können oder die Arbeit ermordeter Kollegen weiterzuführen, haben Investigativjournalisten 2017 die Organisation Forbidden Stories gegründet. Auch die SZ beteiligt sich an deren Arbeit. Nach Erkenntnissen der Organisation sind die Gefahren für Journalisten bei Recherchen zu Umweltproblemen besonders groß. So wurden seit 2009 weltweit 13 Journalisten getötet, nachdem sie über Ressourcenausbeutung oder Umweltverschmutzung berichtetet hatten. Zahlreiche weitere Journalisten wurden angegriffen, eingeschüchtert oder mit Klagen überzogen, um ihre Berichterstattung zu behindern. Doch sie berichten weiter.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2019
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