Süddeutsche Zeitung

Jemen: Salih flieht nach Saudi-Arabien:Aus dem Amt gebombt

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Nach einem Raketenangriff lässt sich der verwundete jemenitische Präsident Salih in Saudi-Arabien medizinisch behandeln - er hat aber angekündigt, bald zurückkehren zu wollen. Das sollte er besser lassen. Salih hat ohnehin kaum noch Chancen, sich die Macht zu erhalten. Aber dem Land drohen auch ohne den bisherigen Machthaber Bürgerkrieg und Zerfall. Vermittlung von außen erscheint als einziger Weg.

Tomas Avenarius

Jemens Präsident Ali Abdallah Salih ist nicht freiwillig gegangen; bildlich gesprochen wurde er regelrecht aus dem Amt gebombt.

Nach einem Raketenangriff, der ihn beim Freitagsgebet in der Moschee traf, muss der Jemenite sich nun im Nachbarland Saudi-Arabien operieren lassen. Wenn der seit mehr als 30 Jahren herrschende Autokrat seinem Volk einen Dienst leisten will, nimmt er den erzwungenen Klinikaufenthalt als Anlass und bleibt für immer in Saudi-Arabien: Er hat ohnehin kaum noch Chancen, sich die Macht zu erhalten.

Salih hat zwar angekündigt, er werde in wenigen Tagen zurückkehren. Er sollte es besser lassen. Auch die Saudis mögen den Noch-Präsidenten medizinisch versorgen, aber sie werden ihn kaum zurück nach Sanaa lassen. Die Fernsehbilder sind allgegenwärtig, auf denen die Menschen jubeln und tanzen, als sie die Nachricht von seiner Abreise hören: "Das ist die Wiedergeburt des Jemen", stand auf einem Plakat. Einfach wird diese Wiedergeburt nicht werden.

Salih hinterlässt ein schwieriges Erbe. Seine Soldaten haben vergangene Woche ein Massaker in einer Provinzstadt angerichtet und in der Hauptstadt die Wohnhäuser ihrer politischen Widersacher mit Artillerie angegriffen. Deshalb haben sich mächtige Stammesführer in dem seit Monaten andauernden Konflikt zwischen dem Staatschef und den Hunderttausenden Demonstranten auf der Straße auf die Seite der Regime-Gegner geschlagen. Da das Militär gespalten ist, drohen dem Land nun auch ohne den bisherigen Machthaber Bürgerkrieg und Zerfall. Vermittlung von außen erscheint als einziger Weg.

Diese Rolle fällt Saudi-Arabien zu. Die Vormacht auf der arabischen Halbinsel will, dass im Jemen Ruhe einkehrt: Der Konflikt im ärmsten Land Arabiens könnte auf das Öl-Königreich übergreifen. Ein demokratisches System im Nachbarland wollen die Saudis allerdings auch nicht: Der Reformvirus wäre für ihre erstarrte Monarchie ebenso gefährlich wie ein Krieg auf der anderen Seite der 1000 Kilometer langen Grenze.

Also werden die saudischen Strippenzieher einen Ausgleich suchen zwischen den aufständischen Stämmen und Salehs Anhängern. Sie dürften dabei die Unterstützung der USA finden. Die haben im Jemen wenig Einfluss, fürchten ihn aber als Hochburg militanter Islamisten und Al-Qaida-Kämpfer. Die demokratischen Reformen, die die jugendlichen Demonstranten in Sanaa seit Monaten fordern, könnten bei dieser Hinterzimmer-Diplomatie auf der Strecke bleiben.

Das Haupthindernis für eine Lösung des Jemen-Konflikt aber bleiben zunächst Salihs Verwandte. In Arabien ist Machterhalt Familiensache: Präsidentensohn Ahmed kommandiert die Republikanische Garde, sein Cousin Jahia hat die Anti-Terror-Einheit unter sich. Sollte einer der beiden versuchen, den Abgang des Machthabers als Sprungbrett zur eigenen Macht zu nutzen, wird im Jemen weitergekämpft werden.

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Quelle:
SZ vom 06.06.2011
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