Süddeutsche Zeitung

Jemen:Hoffnung für die Elenden

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In den festgefahrenen Krieg kommt Bewegung, beide Seiten scheinen zu Verhandlungen bereit zu sein. Offenbar wirkt der Druck der USA auf Riad.

Von Moritz Baumstieger, München

Nach Jahren des Krieges in Jemen gibt es ein wenig Hoffnung auf ein Ende der Kämpfe. Der Anführer der Huthi-Rebellen, die die Hauptstadt Sanaa und die dichter besiedelten Gebiete im Westen Jemens beherrschen, kündigte in der Nacht zum Montag an, die Raketen- und Drohnenangriffe auf die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition einzustellen. Die Entscheidung sei "nach unseren Gesprächen mit dem UN-Sondergesandten" Martin Griffiths gefallen, sagte Mohammed Ali al-Houhti, Führer der Rebellen. Zuvor hatte die Militärkoalition ihre Offensive auf die Hafenstadt Hudeidah abgebrochen.

Die Huthi-Rebellen teilten weiter mit, sie seien zu einem umfassenderen Waffenstillstand bereit, wenn die Koalition Frieden wolle. Die Bereitschaft dazu bekräftigte der saudische König Salman am Montag in einer Rede vor dem Schura-Rat, einer Art Parlament, das jedoch nur beratende Funktion hat. Man sei bereit für eine politische Lösung des Konflikts, sagte der Monarch. Unter der Führung seines Sohnes Mohammed bin Salman, der nicht nur Thronfolger, sondern auch Verteidigungsminister ist, hatten neun arabische und afrikanische Länder 2015 aufseiten der jemenitischen Regierung um Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi in den Konflikt eingegriffen. Saudi-Arabien sieht in den Huthi-Rebellen eine vom Erzfeind Iran aufgerüstete Gefahrenquelle an seiner südlichen Grenze. Das Ausmaß iranischer Unterstützung für die Rebellen konnte bisher nicht zweifelsfrei belegt werden, mehrmals jedoch gelang es den Huthi, Raketen auf Saudi-Arabien abzufeuern, die sogar die Umgebung des Flughafens von Riad erreichten.

Logistisch unterstützt wird die Koalition bei ihren Einsätzen von den USA, Frankreich und Großbritannien - was auch im Westen auf immer stärkere Kritik trifft. Die Kriegstaktik der Militärkoalition forderte nicht nur Tausende Opfer bei Bombenangriffen, sondern löste auch die nach UN-Angaben "größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart" aus: Die Mehrheit der Jemeniten ist von Lebensmittelhilfe abhängig, mehr als 14 Millionen Menschen sind akut von Hunger bedroht. Und da sogar die einfachsten medizinischen Mittel fehlen, breiten sich Krankheiten wie die Cholera fast ungebremst aus.

Der letzte Anlauf zu Gesprächen scheiterte im September. Damals konnten die Huthi nicht anreisen

Nun aber habe er "feste Zusagen" zu Friedensgesprächen, die noch in diesem Jahr in Schweden beginnen könnten, sagte der UN-Sondergesandte Martin Griffiths. Der bisher letzte Anlauf zu Verhandlungen scheiterte im September schon vor Beginn der Gespräche, der Delegation der Huthi gelang es nicht, ihre Gebiete zu verlassen. Saudi-Arabien weigerte sich, auf Forderungen der Aufständischen einzugehen, mit den Verhandlungsteilnehmern auch Verletzte auszufliegen; Riad sperrte den Luftraum. Während Griffiths und die Vertreter von Jemens Regierung am Verhandlungsort in Genf warteten, hob das Flugzeug der Huthi nicht aus Sanaa ab.

Um eine Wiederholung solcher Verwicklungen zu vermeiden, bot Griffiths nun Ende vergangener Woche an, die Huthi-Delegation zu begleiten. "Dies ist ein entscheidender Moment für Jemen", sagte Griffiths vor dem Sicherheitsrat der UN. Die Beteuerung der Kriegsparteien in Jemen, an einer Friedenslösung interessiert zu sein, halte er für "aufrichtig", sagte Griffiths. Die Militärkoalition habe dieses Mal einem Transport von Verletzten zugestimmt.

Dass in den zuletzt so festgefahrenen Konflikt nun Bewegung kommt, hat mit dem stärker werdenden Druck der USA auf Saudi-Arabien zu tun. Während US-Präsident Donald Trump nach dem Mord an dem regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi im Istanbuler Konsulat des Königreichs weiter öffentlich zum Thronfolger Mohammed bin Salman steht, der am Hof von Riad die Tagesgeschäfte führt, regte sich vor allem im Kongress Widerstand gegen die Unterstützung Saudi-Arabiens. Abgeordnete beider Parteien forderten wiederholt eine Einstellungen von Waffenlieferungen. Wohl um diesen Kritikern entgegenzukommen, stellten die USA vergangene Woche ihren Tankservice für saudische Kampfjets ein. Und bereits Ende Oktober hatte Außenminister Mike Pompeo einen baldigen Waffenstillstand und Friedensgespräche angemahnt - für die Pentagonchef James Mattis einen engen Zeitrahmen vorgab: "Binnen 30 Tagen wollen wir alle am Verhandlungstisch sehen", sagte er.

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Quelle:
SZ vom 20.11.2018
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