Süddeutsche Zeitung

Regierungsumbildung in Tokio:Japans Rechte behalten ihre Macht

Lesezeit: 3 min

Premierminister Fumio Kishida hat wieder mal sein Kabinett umgestellt. Es hat jetzt ein paar neue Gesichter und mehr Frauen denn je. Für echte Veränderung steht es deshalb noch lange nicht.

Von Thomas Hahn, Tokio

Am Mittwoch wurde Yoko Kamikawa mal wieder Ministerin. Japans Premier Fumio Kishida holte sie bei seiner neuesten Kabinettsumbildung zurück ins Regierungsteam, routinemäßig, wie es schien. Denn die Unterhaus-Abgeordnete Kamikawa, 70, eine ruhige, nicht besonders auffällige Stammkraft der rechtskonservativen Regierungspartei LDP, war schon oft Ministerin, allein drei Mal Chefin des Justiz-Ressorts. Sie kennt die Abläufe. Ernennung im Kaiserpalast, Mannschaftsfoto im Premierminister-Amt, Umzug ins neue Büro.

Trotzdem war die Beförderung diesmal ein bisschen anders. Nach Jahrzehnten in der Innenpolitik hatte Kishida für sie diesmal das Außenministerium ausgesucht. "Ich werde auf der Weltbühne sein", stellte Yoko Kamikawa fest, "die Spannung ist anders als in der Vergangenheit, und sie ist sehr groß."

Selten sind die Regierungsumbildungen in Japan echte Politikwechsel

Kabinettsumbildungen kommen in Japan relativ oft vor. In Kishidas Amtszeit, die im Oktober 2021 begann, ist es schon die dritte, die jüngste datiert vom August 2022. Selten geht es bei diesen Rochaden wirklich um einen Politikwechsel. Sie sind eher ein Stilmittel, mit dem Regierungschefs die eigenen Leute auf Linie halten, kritische Parteiflügel besser einbinden oder treue Altgediente belohnen. Nach außen soll die Kabinettsumbildung natürlich schon so wirken, als sei der Premier und LDP-Präsident zur Besserung entschlossen. Kishidas Umfragewerte waren zuletzt nicht gut. Gleich elf von 19 Ministerposten besetzte er deshalb um. Er sprach von "neuen Farben" und zeigte mehr Willen zur Gleichstellung, indem er fünf Frauen nominierte statt nur zwei wie beim letzten Mal.

Yoko Kamikawa zur Außenministerin zu machen, ist dabei wahrscheinlich nicht die schlechteste Idee. Vor Jahrzehnten hat sie in Harvard studiert und war in den USA einst Mitarbeiterin des demokratischen Senators Max Baucus. Ihr Englisch ist gut, deshalb hat sie Japans Regierung immer wieder bei internationalen Veranstaltungen vertreten. Außerdem gehört sie innerhalb der LDP zur Faktion, die Kishida selbst anführt, und dürfte deshalb dessen gemäßigte, atomwaffenkritische Weltsicht teilen. Weitere Hauptpersonen eines frischen Schwungs? Kinderpolitik-Ministerin Ayuko Kato vielleicht, mit 44 die Jüngste im neuen Kabinett. Oder Yuko Obuchi, 49, Tochter der früheren Premierministers Keizo Obuchi. Zur Kabinettsumbildung gehörten nämlich auch leichte Veränderungen in der LDP-Spitze. In der ist Obuchi künftig die Wahlkampfchefin.

Aber insgesamt strahlten die Wechsel wieder nur eine künstliche Entschlossenheit aus. Ein wichtiger Grund für die schlechten Umfragewerte sind Misserfolge bei der Einführung der My-Number-Karte zu digitalen Bürgerverwaltung. Aber der zuständige Minister Taro Kono behielt seinen Posten. Dafür tauschte Kishida nach nur einem Jahr überraschend den Verteidigungsminister Yasukazu Hamada aus - ausgerechnet jenen Ressortleiter, der Japans teure neue Sicherheitsstrategie umsetzen muss. Von größeren Fehlern Hamadas ist nichts bekannt. Sein Nachfolger ist der 54-jährige LDP-Sicherheitsexperte Minoru Kihara, der nicht nur ein ausgewiesener Taiwan-Freund ist, sondern wohl auch der Vereinigungskirche nahestand; vergangenes Jahr wurde Kihara kritisiert, weil er 2012 von der Sekte eine Spende in Höhe von 100 000 Yen, rund 630 Euro, angenommen habe.

"Ich bin nervös", gab der neue Bildungsminister zu

Und die alten Rechten behalten ihre Macht in Kishidas Mannschaft. Kabinettschefsekretär Hirokazu Matsuno und Industrieminister Yasutoshi Nishimura bleiben in ihren Ämtern. Ex-Premierminister Taro Aso, 82, bleibt LDP-Vizepräsident, Ex-Außenminister Toshimitsu Motegi LDP-Generalsekretär und Ex-Wirtschaftsminister Koichi Hagiuda LDP-Chefstratege. Aso führt die zweitgrößte LDP-Faktion, Motegi die drittgrößte. Und das Trio Matsuno, Nishimura, Hagiuda gehört zu den einflussreichen Kräften in der größten LDP-Faktion, die seit der Ermordung ihres Anführers und Idols, des Ex-Premierministers Shinzo Abe, um Orientierung ringt. Über ein Jahr seit Abes Tod im Juli 2022 gibt es in der alten Abe-Faktion ein Führungsgremium, aber keinen unangefochtenen Leader. Das muss Kishida bedenken, wenn er die Aufgaben verteilt.

Immerhin, Fumio Kishida hat auch Menschen glücklich gemacht am Mittwoch. Masahito Moriyama wirkte besonders gerührt von dem Umstand, dass er zum ersten Mal ins Kabinett aufrückte. Moryama ist 69 und hat eine wechselhafte Politiker-Karriere hinter sich. Dass er im hohen Alter noch auf den Chefposten des Ministeriums für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie (MEXT) rücken durfte, machte ihn "dankbar". Aber die Beförderung machte ihm anscheinend auch bewusst, dass die große Aufgabe für ihn neu ist. "Ich bin nervös", gab Masahito Moriyama zu, "weil ich mit der MEXT-Verwaltung nicht vertraut bin."

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