Süddeutsche Zeitung

Jamaika-Sondierungen:"Es zieht ein Hurrikan auf über Jamaika"

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In knapp 24 Stunden ist es soweit: In der Nacht zum Freitag wollen sich die Unterhändler von Union, FDP und Grünen entscheiden, ob sie ihren jeweiligen Parteien Koalitionsverhandlungen vorschlagen. Von Aufbruchsstimmung ist im Moment allerdings wenig zu merken. Stattdessen gibt es große Differenzen - und vereinzelt auch scharfe Töne.

In einigen Bereichen gibt es Annäherungen, doch beim umstrittenen Thema Klimaschutz fehlen substanzielle Fortschritte. Auch in den Bereichen Europa und Verkehr gibt es Streit. Bei der Migration kamen sich die Unterhändler unter anderem bei der Fachkräftezuwanderung näher. In der Flüchtlingspolitik gibt es weiter große Differenzen, besonders im Bereich des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz. Jeder müsse etwas von dem, was ihm wichtig sei, in der Regierung wiederfinden, sagte Kanzlerin Merkel. Sie stelle sich auf schwierige Verhandlungen ein, glaube aber, dass eine Einigung gelingen könne.

Skeptische Unterhändler

Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sprach sich dagegen aus, die Sondierungen über den Freitag hinaus zu verlängern, wenn bis zum Ende der geplanten Gespräche keine Einigung in Sicht ist. "Wenn man nach drei Wochen Verhandlungen nicht sagen kann, dass man ein stabiles Regierungsbündnis miteinander eingehen kann, dann helfen auch drei weitere Tage nicht weiter", sagte sie der Rheinischen Post. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn pflichtete ihr bei: Es werde keine Koalition um jeden Preis geben, sagte er der Passauer Neuen Presse.

Auch Wolfgang Kubicki (FDP) ist alles andere als optimistisch. "Es zieht ein Hurrikan auf über Jamaika", sagte er nach der Gesprächsrunde am Mittwoch. Fast alle Themen seien wieder strittig. Ob eine Einigung möglich sei, könne er nicht sagen. FDP-Chef Christian Lindner klang zuversichtlicher und stellte Fortschritte bei der Finanzpolitik fest. Jürgen Trittin hingegen sagte, "die Mittel, die alle vielfach überzeichnet sind", müssten solide verteilt werden.

Vorwürfe und neue Forderungen

Zwischen Grünen und CSU entluden sich erneut negative Spannungen. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann stört sich vor allem an den öffentlichen Vorwürfen der CSU. Wenn man gemeinsam etwas machen wolle, solle man öffentliche Angriffe unterlassen. Besonders die CSU-Politiker Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer hatten den Grünen vorgeworfen, die Sondierungen zu blockieren. Dobrindt reagierte erneut auf Kretschmanns Aussage: "Nicht Lautstärke entscheidet, sondern die Qualität der Argumente", sagte er. Claudia Roth (Grüne) forderte im Gegenzug von der CSU, sie müsse sich bewegen, wenn es zu einem Jamaika-Bündnis kommen sollte.

Unterdessen meldet sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mit neuen Forderungen an die Sondierer zu Wort. Anstatt wie bisher die Bundesländer sollte in Zukunft der Bund für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zuständig sein. "Das wäre sinnvoll, einfach und effizient", sagte Herrmann.

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