Süddeutsche Zeitung

Israel:Netanjahu steuert auf fünfte Amtszeit zu

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Die Arbeitspartei bricht ihr Versprechen, nicht mit dem bisherigen Premier zu koalieren - wie zuvor schon Benny Gantz. Nun rückt eine Einheitsregierung näher.

Von Alexandra Föderl-Schmid, München

Seinen Schnurrbart hatte er abrasiert, damit man auch an seinen Lippen ablesen konnte: Nie wolle er in eine Regierung mit Benjamin Netanjahu eintreten, versprach Arbeitsparteichef Amir Peretz im Wahlkampf. Nun will er - ohne markanten Schnauzbart - mit Parteifreund Itzik Schmuli einer von Netanjahu geführten Einheitsregierung in Israel angehören. Peretz brach sein Wahlversprechen genauso wie Oppositionsführer Benny Gantz, der die Corona-Krise als Grund für seinen abrupten Sinneswandel bezeichnete. In Israel wird über eine mögliche Erpressung von Gantz spekuliert, dessen Handy im Wahlkampf gehackt wurde. Das von ihm geführte Parteienbündnis Blau-Weiß zerbrach.

Damit kommt Netanjahu seinem Ziel näher, zum fünften Mal als Ministerpräsident eine Regierung anzuführen. Nach eineinhalb Jahren soll der 70-Jährige bereit sein, das Amt an Gantz zu übergeben. Auch wenn sich Netanjahu am Montag in Quarantäne begeben musste, nachdem eine Mitarbeiterin positiv auf Corona getestet worden war, gingen die Koalitionsverhandlungen weiter. Netanjahu soll Gantz die Hälfte der Ministerposten versprochen haben. Gleichzeitig muss der Chef der rechtsnationalen Likud-Partei seine bisherigen Koalitionspartner, die rechte Jamina-Partei und die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum, mit Ressorts versorgen. So könnte das neue Kabinett auf 36 Minister anwachsen.

Gantz soll bereit sein, auf das ihm zugesagte Außenministerium zu verzichten, wenn nicht weiter Jaakov Litzman von der Partei Vereinigtes Tora-Judentum Gesundheitsminister ist. Litzman gehört zu den Ultraorthodoxen, die sich häufig nicht an die Regeln zur Corona-Bekämpfung halten und rund die Hälfte der mehr als 4300 Infizierten in Israel ausmachen. Gantz will sich auf eine auf drei Jahre anberaumte Notstandsregierung einlassen, die Netanjahu nach der Hälfte der Legislaturperiode den Wechsel ins Präsidentenamt und damit Immunität ermöglichen würde. Er soll Netanjahu sogar eine Justizreform zugesichert haben, um ihm zu Straffreiheit zu verhelfen. Der Prozess über drei Korruptionsanklagen gegen Netanjahu war wegen des Corona-Notstands verschoben worden.

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SZ vom 31.03.2020
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