Süddeutsche Zeitung

Israels Botschafter Stein über Nahostkonflikt:"Für uns ist das ein Kampf ums Überleben"

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Israels Botschafter Shimon Stein hält eine UN-Friedenstruppe für den Libanon für keine gute Idee, nennt die saudischen Machthaber gemäßigt und erklärt, unter welchen Bedingungen Israel mit der Hamas verhandeln würde.

Interview von Oliver Das Gupta und Markus C. Schulte von Drach

sueddeutsche.de: Immer wieder schlagen derzeit Raketen in Haifa und anderswo ein. Was wird passieren, wenn der Beschuss Israels nicht aufhört?

Shimon Stein: Das, was seit den letzten Tagen vor sich geht: Unsere militärischen Aktionen werden weiterlaufen, um die militärische Infrastruktur der Hisbollah zu zerstören. Außerdem werden wir die beiden entführten Soldaten befreien und dafür sorgen, dass die UN-Resolution 1559 umgesetzt wird, die vorsieht, dass die libanesische Armee für die Sicherheit an der Grenze zu Israel sorgt.

sueddeutsche.de: Die Option, zu verhandeln, gibt es derzeit für Israel nicht?

Stein: Wir sehen zur Zeit keinen Raum für einen Waffenstillstand. Denn dies würde als Sieg für die Hisbollah angesehen werden. Israel und der Westen dürfen kein Interesse daran haben, dass eine Terror-Organisation aus dieser Auseinandersetzung als Gewinner hervorgeht, die den Staat Israel auslöschen möchte.

Auch die gemäßigten arabischen Staaten haben kein Interesse daran, dass der radikale Islam Auftrieb bekommt. Das zeigte sich auch jüngst beim Treffen der arabischen Liga, auf dem sich Ägypten und Saudi-Arabien besorgt zeigten.

sueddeutsche.de: EU und UN wollen eine Friedenstruppe in den Libanon schicken. Wie steht Israel zu dem Vorschlag?

Stein: Israel steht zu der Resolution 1559 des Weltsicherheitsrates vom September 2004. Demnach sollen ausländische Kräfte - Syrer und iranische Revolutionäre Garden - den Libanon verlassen und die Hisbollah-Miliz aufgelöst werden. Das ist die Entscheidung des Sicherheitsrates. Man sollte sich daran halten, anstatt jeden Tag neue Ideen und Initiativen ins Leben zu rufen.

sueddeutsche.de: Also lehnt Israel Blauhelme im Libanon ab?

Stein: Wenn die libanesische Armee nicht in der Lage ist, die Grenze zu sichern, kann sie Hilfe bekommen. Aber: Wir halten uns an die nach wie vor gültige UN-Resolution. Man sollte das Rad nicht immer wieder von Neuem erfinden.

sueddeutsche.de: Es wird berichtet, dass Israel einen Militärschlag gegen Syrien erwog. Kann sich Israel zur Zeit überhaupt eine weitere Front erlauben?

Stein: Es ist kein Geheimnis, dass diverse Terrorgruppen wie die Hisbollah von Syrien und Iran unterstützt werden. Aber Israel führt gerade eine Auseinandersetzung mit der Hisbollah im Libanon. Wir können uns es nicht leisten, diesen Kampf gegen den Terror zu verlieren.

sueddeutsche.de: Sie fürchten also keine Ausweitung des Konfliktes?

Stein: Es gibt zur Zeit eine Front zwischen zwei Lagern. Ein Lager, das islamistischem Terror unterstützt und eines, das diesem Terror den Kampf angesagt hat. Dazu zähle ich den Westen und die gemäßigten arabischen Staaten wie Ägypten, Jordanien und auch Saudi-Arabien.

Das sollten diese Länder als gemeinsame Aufgabe ansehen, anstatt die Arbeit immer Israel zu überlassen. Für uns ist das ein Kampf ums Überleben. Und wir sind entschlossen, ihn zu gewinnen.

sueddeutsche.de: Sie zählen Saudi-Arabien inzwischen zu den gemäßigten arabischen Staaten. Auch die Hamas zeigte sich auf dem Weg der Mäßigung, als sie unmittelbar vor der Entführung des israelischen Soldaten Gilat Schalit, Israel indirekt anerkannte. War das ein Bluff?

Stein: Es gibt keine indirekte Anerkennung. Also: Entweder erkennt man einen Staat an - oder nicht.

sueddeutsche.de: Das reicht Israel nicht, zweifellos. Für die radikalislamische Hamas war es trotzdem ein großer Schritt.

Stein: Täuschen Sie sich nicht. Die Ziele der Hamas sind ganz klar. Diese Organisation sucht den Konflikt. Es geht seit 1948 um eine Kernfrage: Akzeptiert die arabische Welt die Legitimität eines jüdischen Staates: Ja oder Nein? Israel erhielt von der Hamas nie eine eindeutig positive Antwort.

sueddeutsche.de: Was müsste Hamas tun, um ein Gesprächspartner zu werden?

Stein: Es gibt drei klare Bedingungen: die Anerkennung des Staates Israels, die Einstellung des Terrors, und die Hamas muss alle Verträge und Abmachungen, die Israel mit der PLO geschlossen hat, übernehmen und einhalten. Diese drei Bedingungen müssen ohne Wenn und Aber eingehalten werden. Sobald sie implementiert sind, verändert sich die Lage für uns grundlegend.

sueddeutsche.de: Die derzeitige Krise entzündete sich an der Entführung des iraelischen Soldaten Schalut im Gaza-Streifen. Die Kidnapper wollten einen Gefangenentausch - so wie ihn Ariel Scharon vor zwei Jahren bereits akzeptiert hat. Warum blieb Premier Olmert diesmal hart?

Stein: Weil man unsere Zugeständnisse immer als Schwäche ansieht. Man würde weiterhin Israelis verschleppen, um etwas zu erpressen. Wir sind entschlossen, die Spielregeln zu ändern.

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