Süddeutsche Zeitung

Islamisten:Warum die Terroristen in Syrien kaum zu unterscheiden sind

Lesezeit: 2 min

Von Paul-Anton Krüger

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat Sonntag auf grausame Art klargemacht, wie sie auf eine mögliche Waffenruhe in Syrien reagieren wird: Sie zündete Autobomben in überwiegend von Schiiten bewohnten Vierteln in Homs und Damaskus und tötete mehr als 180 Menschen.

Lange war die Gruppe der größte Profiteur im syrischen Bürgerkrieg; das Regime ließ sie unbehelligt, solange sich der IS darauf konzentrierte, gegen gemäßigte Rebellen zu kämpfen und gegen die Nusra-Front, den syrischen Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida. Mit dessen Emir, Aiman al-Zawahiri, streitet IS-Kalif Abu Bakr al-Baghdadi erbittert um die Führungsrolle im globalen Dschihad.

Es sind diese beiden Gruppen, die ausgenommen sind von der geplanten Waffenruhe in Syrien, die nun am 27. Februar in Kraft treten soll. Beide wollen einen Gottesstaat in Syrien errichten, doch verfolgen sie unterschiedliche Strategien. Hauptziel des IS ist es, das Territorium seines Kalifats zu erweitern und sich dort als einzige Macht zu etablieren - das macht ihn zu einem relativ einfach zu identifizierenden Ziel.

Der IS muss sich darauf einstellen, militärisch stärker in die Zange genommen zu werden. Von Iran kontrollierte Schiiten-Milizen rücken bei Aleppo und bei Hassakeh in IS-Gebiete vor. Und auch die von den USA geführte Allianz gegen den IS hat ihre Luftangriffe verstärkt. Sie nimmt dessen Wirtschaft ins Visier: Ölanlagen und Häuser, in denen Millionen Dollar Bargeld lagerten.

Die Nusra-Front hat sich auch bei gemäßigten Rebellen Achtung verschafft

Die Nusra-Front dagegen hat sich in Syrien immer über den Kampf gegen Machthaber Baschar al-Assad definiert und sich als effektive militärische Kraft gegen den IS und das Regime Achtung bei vielen gemäßigten Rebellen verschafft. Dazu trägt bei, dass viele Syrer bei der Front kämpfen, ihre Einheiten bestehen schätzungsweise zu zwei Dritteln aus Einheimischen, während der IS auf ausländische Kämpfer setzt. Nusra-Kämpfer gehen mit der Bevölkerung oft weniger brutal um als die IS-Schergen.

In den meisten von den Aufständischen gehaltenen Gebieten kooperieren die lokalen Rebellen-Gruppen zeitweise und informell mit Nusra-Brigaden, unter ihnen auch die Freie Syrische Armee (FSA). In einigen Regionen ist die Nusra-Front in Operationszentralen vertreten, in denen die Rebellen ihre Aktivitäten koordinieren. Eine förmlichere Allianz, die Armee der Eroberung, nahm im Frühjahr 2015 die Provinz Idlib ein. Ihr gehörten radikale Rebellengruppen wie die Ahrar al-Sham an, die ebenso wie die FSA Teil des Hohen Verhandlungskomitees der Opposition sind. Es gibt aber kaum Gebiete, die ausschließlich von der Nusra-Front kontrolliert werden.

Das Geflecht von Rebellen und Nusra-Front zu sezieren, dürfte schwierig werden

Russland hat das bisher als Vorwand benutzt, um die Rebellen unterschiedslos zu bombardieren. Die USA haben nur die Khorasan-Gruppe attackiert, eine Zelle der Nusra-Front, die Anschläge im Westen geplant haben soll. Nun wollen Russland und die USA gemeinsam jene Gebiete festlegen, die der legitimen Opposition zugerechnet werden und jene, die allein die Nusra-Font oder der IS kontrollieren.

Das Geflecht von Rebellen und Nusra-Front zu sezieren, dürfte schwierig werden: Bombardieren die Russen aber weiter Gruppen, die in Genf am Verhandlungstisch sitzen, wird die Waffenruhe nicht lange halten. Die Nusra-Front, militärisch oft überlegen, kann ihrerseits Rebellen vor die Wahl stellen: Entweder kämpft ihr mit für Assads Sturz, oder wir betrachten euch nicht länger als Verbündete.

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SZ vom 24.02.2016
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