Süddeutsche Zeitung

Nach Aufhebung der Sanktionen:Goldrausch in Iran

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Europa rollt Irans Präsidenten Rohani den roten Teppich aus, die Hoffnung auf goldene Geschäfte ist groß. Doch Teheran bleibt ein schwieriger Partner.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Iran ist zurück auf der Weltbühne, politisch und nun auch wirtschaftlich. Die Europa-Reise von Hassan Rohani, die erste eines iranischen Präsidenten seit einem Jahrzehnt, ist augenfälliger Beleg dafür. (Sie sollte im November stattfinden, wurde aber wegen der Anschläge in Paris verschoben.) Vor einem Jahr noch war er zwar in Davos auf dem Weltwirtschaftsforum begrüßt worden, nicht aber von den Regierenden in Europa. Nun rollt ihm Italien den roten Teppich vor dem Quirinalspalast aus und vor dem Palazzo Chigi, er trifft den Papst im Vatikan, und in Paris empfängt ihn Präsident François Hollande im Elysée.

Die Symbolik des Rom-Besuchs könnte größer kaum sein: Dorthin führte 1999 seinen Vorgänger Mohammed Chatami die erste Reise, den Reformer, der die Islamische Republik gegenüber dem Westen öffnen wollte. Es war der erste Staatsbesuch eines iranischen Präsidenten nach der Revolution 1979, das vorläufige Ende der Isolation - in diese Tradition stellt Rohani sich, das ist die Botschaft der Reise.

Ein Jahr später schritt Chatami an der Seite von Johannes Rau durch Weimar, nachdem er in Berlin Gerhard Schröder und Joschka Fischer getroffen hatte. Vize-Kanzler Sigmar Gabriel war schon in Teheran, wo er in seiner Funktion als Wirtschaftsminister wahrgenommen wurde, Außenminister Frank-Walter Steinmeier kommt im Februar. Ein Deutschland-Besuch Rohanis wäre der nächste Schritt.

Das Land bleibt problematisch, wirtschaftlich und politisch

Damals wie heute geht es beiden Seiten vor allem darum, die einst florierenden Beziehungen in Wirtschaft und Handel wiederzubeleben, die in die Zeit des Schahs und weiter zurückreichen. Iran bietet, da sich das Wachstum weltweit bedrohlich verlangsamt, unvergleichliche Chancen: ein zu erschließender Markt mit 80 Millionen überwiegend gut ausgebildeten Kunden; ein Staat, der nach Ende der Sanktionen Zugriff auf 100 Milliarden Dollar bekommt; ein Land, das einen Investitionsstau von geschätzt einer Billion Dollar hat - und im Gegensatz zu den Öl-Monarchien auf der anderen Seite des Golfs über eine breite industrielle Basis verfügt. Die ersten Aufträge für mehr als 100 neue Airbus-Flugzeuge könnte Rohani schon in Paris unterzeichnen.

Der Goldrausch hat vor Monaten bereits begonnen. Doch die Euphorie dürfte vielerorts bald Ernüchterung weichen, zumindest einer realistischeren Sichtweise von Risiken und Chancen. Iran ist weiter ein Land, in dem überbordende Bürokratie und grassierende Korruption Geschäfte schwierig machen. In staatsnahen Unternehmen galt politische Loyalität lange mehr als Fachkompetenz. Die Revolutionsgarden und religiöse Stiftungen aus dem Machtbereich des Obersten Führerers Ali Chamenei haben die Sanktionsjahre genutzt, um lukrative Branchen unter ihre Kontrolle zu bringen. Auch werden die Chinesen nicht ihre Marktanteile wieder aufgeben, die sie nach dem Rückzug der Europäer gewonnen haben.

Iran bleibt auch politisch wenig berechenbar: Raketentests im vergangenen Jahr zeigen, dass zumindest die Hardliner im Sicherheitsapparat nicht von Provokationen lassen werden. Am Tag, als die Sanktionen aus dem Nuklearstreit aufgehoben wurden, verhängten die USA wegen Verstößen gegen UN-Resolutionen neue Strafen. Das Atomabkommen ist mit einem Mechanismus abgesichert, der die Sanktionen sofort wieder in Kraft setzt, sollte Iran gegen die Bestimmungen verstoßen. Wie schnell sich Zwischenfälle auch gegen den Willen der Regierung provozieren lassen, hat der Angriff auf die saudische Botschaft gezeigt. Und wie der nächste US-Präsident auf so etwas reagiert, ist völlig offen.

Wandel durch Handel, so einfach ist die Gleichung nicht

Die Waffenhilfe für das Assad-Regime in Syrien, die Unterstützung von Terrororganisationen, auch die vielfache Missachtung der Menschenrechte schaffen Unsicherheiten. Sie werden noch verschärft durch einen gnadenlos ausgefochtenen Richtungskampf in Teheran. Konservative Kräfte, die in Rohanis Kurs eine existenzielle Bedrohung für das theokratische Regime sehen, versuchen mit allen Mitteln, eine weitere Öffnung zu verhindern - auch weil mehr Wettbewerb ihren wirtschaftlichen Interessen zuwiderläuft.

Wie diese Auseinandersetzung ausgeht, ist längst nicht ausgemacht. Gerade hat der Wächterrat die übergroße Mehrheit reformorientierter Kandidaten von der Parlamentswahl ausgeschlossen. Von Chatami dürfen iranische Medien keine Fotos zeigen, nicht einmal seinen Namen erwähnen. Der Oberste Führer hat zwar das Atomabkommen gestützt, seither aber immer wieder vor einer Unterwanderung durch den Westen gewarnt. Wandel durch Handel, so einfach ist die Gleichung nicht. Man kann hoffen, dass ein größerer Austausch den Moderaten auf Dauer hilft. Sicher ist es nicht. Auf Chatami folgte Mahmud Ahmadinedschad.

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SZ vom 26.01.2016
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