Süddeutsche Zeitung

Iran:Deutsche zu zehn Jahren Haft verurteilt

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Ein Revolutionsgericht in Teheran hat Nahid Taghavi wegen angeblicher politischer Aktivitäten schuldig gesprochen - das Urteil erging offenbar schon vor einiger Zeit.

Von Paul-Anton Krüger, München

Am 16. Oktober 2020 stürmten die Revolutionsgarden in Teheran die Wohnung von Nahid Taghavi. Nun muss die deutsch-iranische Architektin damit rechnen, für lange Zeit in Haft zu bleiben. Ein Revolutionsgericht in der iranischen Hauptstadt hat sie zu zehn Jahren Haft verurteilt. Sie wurde schuldig gesprochen, eine "illegale politische Gruppe" geleitet zu haben. Acht weitere Monate Haft verhängte das Gericht wegen "Propaganda gegen das Regime", wie der Anwalt der 66-Jährigen, Mostafa Nili, am Mittwoch auf Twitter mittteilte. Taghavis Tochter Mariam Claren, die wie ihre Mutter in Köln lebt, bestätigte das Urteil.

Was genau Taghavi vorgeworfen wird, wurde nicht bekannt. Nach ihrer Verhaftung wurde sie in das berüchtigte Evin-Gefängnis im Norden Teheran gebracht, wo das Regime viele politische Gefangene unter härtesten Bedingungen inhaftiert hat. Taghavi kam über längere Zeit in Isolationshaft. Ihre Familie war über die Verhaftung nicht informiert worden. Im April wurde ein Verfahren gegen sie eröffnet. Ihr Anwalt konnte die Akten erst kurz vor Prozessbeginn einsehen und nicht mit Taghavi sprechen. Nach seinen Worten hat sie die Vorwürfe zurückgewiesen. In einem Telefonat mit Angehörigen sagte sie, sie wisse nicht, warum sie verhaftet worden sei.

Gleichzeitig mit Taghavi waren fünf weitere Personen in Iran festgenommen worden, unter ihnen der britisch-iranische Aktivist Mehran Raouf. Er wurde ebenfalls zu zehn Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Die iranischen Behörden erkennen doppelte Staatsangehörigkeiten nicht an und verweigern regelmäßig konsularischen Zugang zu solchen Gefangenen. Das Auswärtige Amt rät Doppelstaatlern seit der Verhaftung Taghavis von nicht notwendigen Reisen dringend ab. Taghavi war 15 Jahre problemlos zwischen Köln und Teheran gependelt.

Iran hält Dutzende Doppelstaatler gefangen

Jüngst waren Verhandlungen zwischen Iran und den USA sowie Großbritannien über einen groß angelegten Gefangenenaustausch offenbar gescheitert. Iran hatte der Regierung von US-Präsident Joe Biden vorgeworfen, den Austausch mit den Verhandlungen über eine Rückkehr zum Atomabkommen verknüpfen zu wollen. Die USA hatten dementiert, dass es eine Einigung gebe. Nach iranischen Angaben sollten insgesamt zehn Gefangene freikommen. Die Verhandlungen würden aber nicht fortgeführt. Ein Zusammenhang mit dem Urteil gegen Taghavi erscheint aber unwahrscheinlich. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung war es bereits im Juni ergangen, aber erst am Mittwoch bekanntgeworden.

Iran hält Dutzende Doppelstaater gefangen, denen zumeist Spionage oder andere Delikte gegen die nationale Sicherheit vorgeworfen werden. Westliche Diplomaten sehen darin eine "Geiseldiplomatie", die dazu diene, im Ausland wegen Sanktionsverstößen oder Terrorvorwürfen inhaftierte Iraner freizupressen und Verhandlungsmasse aufzubauen.

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