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Irak:Prediger Sadr klarer Wahlsieger

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Bei der vorgezogenen Abstimmung zum Parlament gewinnt die Partei des einflussreichen schiitischen Klerikers deutlich. Pro-iranische Gruppen wollen die Wahl anfechten.

Von dpa und reuters, Bagdad

Bei der Parlamentswahl im Irak hat die Partei des schiitischen Klerikers Moktada al-Sadr nach offiziellen Angaben mit klarem Vorsprung gewonnen. Nach ersten Auszählungen vom Montag hat seine Partei über 70 Mandate errungen. Die schiitische Mehrheit in der irakischen Bevölkerung hat seit der US-geführten Invasion 2003 alle Regierungen gestellt oder dominiert. Die Wahlen am Sonntag waren vorgezogen worden, nachdem Massenproteste 2019 die damalige Regierung gestürzt hatten und eine weitverbreitete Wut auf Spitzenpolitiker offenkundig wurde. Vielen wird vorgeworfen, sich auf Kosten des Landes zu bereichern. Der ölreiche Irak steckt in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise.

Pro-iranische Gruppen kündigten jedoch an, die Ergebnisse der Wahl anzufechten. "Wir werden diese erfundenen Ergebnisse nicht akzeptieren", sagte der Führer der von Iran unterstützten Fatah-Koalition, Hadi al-Amiri, am Dienstag. Auch andere Gruppen wollen gegen die Ergebnisse vorgehen. Die Fatah-Koalition musste nach vorläufigen Ergebnissen im Vergleich zur vergangenen Wahl deutliche Einbußen hinnehmen. Sie ist mit den schiitischen Milizen verbunden und könnte nun mehr als die Hälfte ihrer Sitze im irakischen Parlament verlieren. Für Beobachter kam ihr schlechtes Abschneiden überraschend. Bei der Parlamentswahl 2018 war die Fatah-Koalition auf Platz zweit gewesen.

Nach den ersten Auszählungsergebnissen kommt Sadr nun wieder eine dominierende Rolle zu. Der populistische Prediger war in der Vergangenheit mehrmals der Königsmacher in der irakischen Politik. Er hat sich gegen jede ausländische Intervention ausgesprochen, Iran eingeschlossen, ist aber regelmäßig zu Besuch in dem Nachbarland. Seit 2003 folgen nach Parlamentswahlen schwierige Verhandlungen zur Regierungsbildung, die sich Monate hinziehen können.

Viele Menschen haben erst gar nicht abgestimmt

Nach den Zwischenergebnissen kann die Koalition des sunnitischen Parlamentspräsidenten Mohammed al-Halbusi's Takaddum 38 Abgeordnete entsenden, gefolgt vom ehemaligen schiitischen Regierungschef Nuri al-Maliki mit 37 Mandaten. Das Parlament umfasst 329 Sitze. Reformparteien, die nach den Protesten entstanden waren, konnte einige Sitze erringen. Viele Irakerinnen und Iraker blieben der Wahl aus Enttäuschung über die politische Elite fern. Sie glauben nicht, dass das nach der US-Invasion eingeführte demokratische System funktioniert. Bereits bei der Wahl 2018 hatten nur 44,5 Prozent der Berechtigten ihre Stimme abgegeben.

Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi hatte die Abstimmung am Sonntag nach den Massendemonstrationen für mehr Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen um mehrere Monate vorgezogen. Die teils gewaltsam niedergeschlagenen Kundgebungen hatten sich gegen die herrschende Elite gerichtet. Als Reaktion auf die Proteste wurde ein neues Wahlgesetz verabschiedet, das unabhängigen und reformorientierten Kandidaten bessere Chancen einräumen soll. Insgesamt bewarben sich mehr als 160 Parteien und über 3200 Kandidatinnen und Kandidaten um den Einzug ins Parlament. Der politische Analyst Farhad Aladin sagte der Deutschen Presse-Agentur, er gehe davon aus, dass sich die Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse wegen der Beschwerden noch um mehr als zwei Monate verzögern könnte.

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