Süddeutsche Zeitung

Integration: Debatte:Thilo Sarrazin - Lesereise unter Polizeischutz

Lesezeit: 1 min

Thilo Sarrazin will durch Deutschland reisen, um aus seinem Buch zu lesen und zu diskutieren. Nichts schwerer als das: Der umstrittene Bundesbanker braucht Ordnungshüter.

Thilo Sarrazin wechselt die Bühne: Runter von den bequemen Sofas, raus aus den Talkshows, hinauf auf die Bühne, um die Botschaft direkt zu den Menschen bringen. Der umstrittene Bundesbanker und Buchautor will auf Lesereisen gehen, um sein Buch Deutschland schafft sich ab zu vermarkten.

Sarrazin mag manche Bürger mit seinen umstrittenen Thesen zu Integration und muslimischen Migranten überzeugt haben, bei anderen hat sich der Volkswirt aber offenbar unbeliebt gemacht. Bei Aufritten erscheint Sarrazin nur noch mit Polizeischutz. Vier Leibwächter - zwei vorne, zwei hinten - flankierten ihn, nachdem er am Montag in Berlin zur öffentlichen Debatte erschienen war.

Jetzt gerät sogar seine Lesereise ins Stocken.

Ursprünglich wollte Sarrazin in einer Buchhandlung in Hildesheim starten. Der dortige Buchhändler sagte die Veranstaltung jedoch in der vorigen Woche aus Sicherheitsgründen ab. Sein Auftritt beim Internationalen Literaturfestival in Berlin musste ausfallen, weil Das Haus der Kulturen der Welt, in dem die Lesung stattfinden sollte, sich geweigert hatte, Sarrazin ohne einen kritischen Gegenpart auftreten zu lassen.

Auch in Potsdam war Buchautor Sarrazin zunächst ausgeladen worden. Ein Kulturzentrum wollte ihm keine Bühne mehr geben. Mit dem Nikolaisaal fand das Brandenburgische Literaturbüro endlich ein Ausweichquartier, die Veranstalter freuen sich auf einen ausverkauften Abend am Donnerstag.

Doch nun zeichnet sich ab, dass auch dieser Event ungemütlich für den nimmermüden Provokateur werden könnte. Ein Bündnis linker Gruppen will gegen die Lesung protestieren. Unter dem Motto "Keine Toleranz für Rassisten" sei vor dem Veranstaltungsort in der Innenstadt eine Kundgebung mit mehr als 100 Teilnehmern angemeldet, sagt Polizeisprecher Mario Heinemann. Demo und Polizeiaufgebot zum Buchtermin, selten hat ein Druckwerk eine solche Wirkung erzielt.

Der geplatzte Auftritt beim Internationalen Literaturfestival findet nun im Berliner Kultur- und Bildungszentrum Urania statt. Organisator Ulrich Schreiber lud den umstrittenen Buchautor im Alleingang ein. Die Diskussion soll diesen Freitag stattfinden, es reden Spiegel-Autor Matthias Matussek, Aspekte-Redakteur Christhard Läpple und TV-Produzent Walid Nakschbandi. Der Saal fasst mehr als 800 Menschen.

In München ist Autor Sarrazin für Ende September eingeplant. Das Literaturhaus denkt darüber nach, das Einzelgespräch mit Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart in eine Diskussionsveranstaltung umzuwandeln.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.996839
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.