Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Mein Haus, mein Glück?

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Die meisten Menschen streben nach Wohneigentum. Haben sie es erreicht, hält das Hochgefühl bedauerlicherweise gar nicht so lange an. Und das hat mehrere Gründe.

Von Sebastian Herrmann

Samstagvormittag in der Vorstadt, Wertstoffhofbesuch. Im Plastikmüllbereich drängeln sich die Eigentümer von Reihenmittelhäusern, Doppelhaushälften und anderen Immobilienformen. Sie sortieren ihre ausgespülten Joghurtbecher, Getränkekartons, Styroporformteile, Verpackungsfolien oder PET-Flaschen in die vorgesehenen Säcke. Danach steht der Einkauf an, im Supermarkt sieht man sich wieder. Später müssen die Kinder erzogen oder transportiert werden. Aufräumen steht auch auf der Wochenend-To-do-Liste, und im Genick lauert mit schwerem Gewicht diese grässliche Grundsteuererklärung, welche die Nachbarn, Freunde und Verwandte zwar auch noch nicht gemacht haben, über die sie aber trotzdem die schlimmsten Horrorgeschichten erzählen.

Im Traum von der Immobilie im Grünen tauchen solche Elemente nicht auf. Die Vorstellung vom Wohnglück gleicht eher der prototypischen Bausparkassenwerbung: Schöne Menschen lächeln auf makellos saftigem Rasen, der niemals einen Dürresommer erleben wird, und dahinter spiegeln die frisch geputzten Fenster des energieeffizienten Kleinfamilien-Palasts. Aber wenn Träume mit der Realität kollidieren, entsteht meist emotionaler Blechschaden. Gerade haben Alois Stutzer und Reto Odermatt von der Universität Basel eine Studie publiziert, die zeigt: Ein Immobilienkauf macht weniger glücklich, als Eigenheimler vor Bank- und Notartermin annehmen.

"Dass Wohneigentum Menschen glücklich macht, ist vermutlich eine der am weitesten verbreiteten intuitiven Annahmen über Glück", schreiben die Ökonomen im Journal of Happiness Studies. Vom amerikanischen Traum bis zum schwäbischen Häuslebauer: Wer eine Immobilie besitzt, hat es geschafft. Laut Studien verbinden Menschen mit Wohneigentum das Gefühl von Kontrolle, von Wohlstand sowie Sicherheit, von Gemeinschaft und erhöhtem sozialen Status. Aus diesem Denken speist sich vermutlich die Annahme, man werde schon so glücklich werden wie die Menschen in Wohnzeitschriften oder der Bausparkassenwerbung, wenn einem erst das Haus mit Handtuchgarten gehören wird.

Die Daten des seit 1984 regelmäßig erhobenen deutschen Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), welche Odermatt und Stutzer auswerteten, zeigten aber, dass Wunsch und Wirklichkeit nicht ganz Schritt halten. Wohneigentum erhöht die Lebenszufriedenheit zwar ein wenig, aber eben nicht so stark, wie die meisten Befragten dies im Vorfeld vermuteten. Vor allem treffe das auf Menschen zu, für die das Streben nach Besitz und Status zentral ist, so die Ökonomen.

Und für alle anderen gilt vermutlich: Nach fünf Jahren in der eigenen Immobilie haben Gewöhnungseffekte sowie neue Träume und Ansprüche die anfängliche Zufriedenheit abgeschliffen. Die Nachbarn sind vielleicht doch anstrengender als gedacht (und besitzen ein größeres Haus), und auch in der eigenen Doppelhaushälfte plagt der Alltag. Außerdem unterschätzen viele Menschen laut Studien offenbar, wie sehr ihnen ein Kredit im Nacken sitzen kann. Man trifft sich dann beim Wertstoffhof und könnte gemeinsam klagen. Auf hohem Niveau jammert es sich schließlich am besten.

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