Süddeutsche Zeitung

Dannenröder Wald:Letztes Aufbäumen

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Trotz hartnäckigen Widerstands ist die künftige Trasse für die A49 fast vollständig gerodet. Die Gegner machen trotzdem weiter - und erhalten prominente Unterstützung: Igor Levit spielt an diesem Freitag Klavier im Wald.

Von Matthias Drobinski, Frankfurt

Es sind die letzten Bilder und Filmsequenzen aus dem Barrio, dem Baumhausdorf "Oben" im Dannenröder Wald: Motorsägen kreischen im Hintergrund, behelmte Polizisten stehen in Gruppen am Boden, Kletterspezialisten rüsten sich zum Einsatz. Eine blaue Hebebühne rückt an die Plattform heran, auf der bei Nebel und Kälte die letzten Aktivistinnen und Aktivisten ausharren. Seit mehr als einem Jahr halten sie den Wald besetzt, um so gegen den Bau des letzten Teilstücks der A49 und die Rodung des Waldes zu protestieren.

Vom Baumhaus aus gibt es Spott über und auch Beschimpfungen gegen die schweigenden Polizistinnen und Polizisten, die auf der Plattform nach oben fahren. Noch einmal skandieren die jungen Frauen und Männer: "Danni bleibt!" Es hilft nichts, die Polizei bringt sie nach unten, "routiniert, professionell und besonnen", wie die Polizei Mittelhessen in einem Tweet mitteilt. Zwei Menschen hätten sich in der Höhe die Hände aneinander geklebt, auch sie seien "sicher nach unten" transportiert worden.

100 Meter Wald stehen noch

Die Räumung des Barrios "Oben" hat Symbolcharakter: Es war das erste Baumhausdorf, das im Herbst 2019 entstand, und es galt als eine Art Zentrum der vielen sehr unterschiedlichen Gruppen, die auf der geplanten Autobahntrasse den Wald besetzt hielten. Nach Angaben der Polizei sind jetzt nur noch ungefähr hundert Meter Wald zu roden. Damit sind die Polizei und die an der Rodung beteiligten Firmen trotz des hartnäckigen Widerstandes im Wald dem Ziel sehr nahe, alle Bäume auf der Trasse bis zum Jahresende gefällt zu haben. Die Rodungssaison geht noch bis Ende Februar.

Erneut protestierten Umweltschutz-Organisationen gegen die Räumungen. Die BUND-Jugend forderte in einem offenen Brief, den Polizeieinsatz und die Zerstörung von Waldgebieten sofort zu stoppen. Viele junge Menschen, die "den alten Mischwald gewaltfrei vor der Rodung retten" wollten, seien durch einen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz "teilweise massiver Polizeigewalt ausgesetzt" gewesen.

Für diesen Freitag hat der Pianist Igor Levit angekündigt, im Dannenröder Wald auf einer kahl geschlagenen Schneise ein Klavierkonzert zu geben. Am Sonntag soll es weitere Proteste geben, unter anderem mit der Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer und dem Förster und Autor Peter Wohlleben.

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