Süddeutsche Zeitung

Homosexualität:Grüne wollen homosexuelle Jugendliche stärker unterstützen

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Von Ruth Eisenreich, Berlin

Die Regenbogenfahne ist hip, in Deutschland können Minister schwul und Ministerinnen lesbisch sein, es wird diskutiert, in welchen Fällen Lesben und Schwule Kinder adoptieren dürfen. Ist Homosexualität also inzwischen total akzeptiert in Deutschland? Nein, vor allem nicht unter Jugendlichen, sagen die Grünen. Auf den Schulhöfen kursierten immer noch - oder sogar vermehrt - Schimpfwörter wie "schwule Sau". In einem Antrag, der am Donnerstag erstmals im Bundestag diskutiert werden soll und der SZ vorliegt, fordern die Grünen daher von der Politik mehr Unterstützung für queere - also homo-, bi-, trans- und intersexuelle - Jugendliche.

Das Klima für die queere Community werde zunehmend bedrohlicher, sagt Beate Walter-Rosenheimer, die Jugendpolitiksprecherin der Grünen-Fraktion. Das zeige nicht nur der Anschlag auf ein Schwulenlokal im fernen Orlando vor eineinhalb Wochen: "Auch in Deutschland nehmen homophobe Äußerungen immer weiter zu." Bis heute hätten viele junge Menschen Angst vor der Reaktion ihres Umfelds auf ihr Coming-Out, deshalb sei Sensibilisierung notwendig.

In einer Studie hätten vier von fünf befragten Jugendlichen Diskriminierung erlebt, heißt es in dem Antrag der Grünen - ob auf der Straße, in einer Bar, bei Behörden oder in der eigenen Familie. Queere Jugendliche seien deutlich öfter obdachlos und würden vier- bis sechsmal so oft Suizid begehen wie heterosexuelle.

"Geschlechtliche Vielfalt und Diversity" soll in den Lehrplänen verankert werden

Die Grünen fordern daher von der Bundesregierung eine bundesweite Aufklärungskampagne für Jugendliche und einen bundesweiten Aktionsplan nach dem Vorbild der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die Regierung soll außerdem die Bundesländer dazu drängen, "geschlechtliche Vielfalt und Diversity" in den Lehrplänen für Schulen und Kindergärten zu verankern; auch in der Aus- und Weiterbildung von Lehrern sollen sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität künftig eine größere Rolle spielen.

Queere Jugendliche mit Migrationshintergrund sollen nach den Wünschen der Grünen in Zukunft durch eigene Projekte unterstützt werden. In Integrationskursen für Zuwanderer soll auch über Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität informiert werden, gemeinsam mit Migrantenorganisationen soll die Bundesregierung auch in deren jeweiligen Communities Aufklärungsarbeit betreiben.

Spezifische Forderungen abseits von Aufklärung haben die Grünen in den Bereichen Trans- und Intersexualität. Sie wünschen sich, dass es für Transsexuelle - also Menschen, die biologisch Männer sind, sich aber als Frauen fühlen, oder umgekehrt - in Zukunft einfacher wird, ihren Namen und ihr Geschlecht am Standesamt ändern zu lassen.

Außerdem soll die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass Transsexualität international nicht mehr als Krankheit bewertet wird. Und sie soll sicherstellen, dass an intersexuellen Kindern und Jugendlichen - also solchen, die mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren werden - geschlechtszuweisende Operationen nur noch mit ihrer ausdrücklichen Einwilligung durchgeführt werden. Früher trafen Ärzte in solchen Fällen meist direkt nach der Geburt die Entscheidung für ein Geschlecht und operierten die Kinder. Die litten oft lebenslang darunter.

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