Süddeutsche Zeitung

Haushaltsstreit der Ampel:Klingbeil rechnet mit Entscheidung in Haushaltskrise noch 2023

Lesezeit: 2 min

Der SPD-Chef kann sich die erneute Erklärung einer Notlage wegen des Kriegs in der Ukraine vorstellen. FDP-Finanzminister Lindner zeigt sich skeptisch beim Subventionsabbau zur Lösung der Krise. Und ein SPD-Haushaltspolitiker sieht "viel Luft nach oben - auch beim Kanzler".

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil rechnet mit einer "politischen Klärung" der Haushaltskrise noch in diesem Jahr. Auch wenn derzeit vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) über eine Lösung verhandelten: "Am Ende ist doch klar, das können nicht die drei entscheiden, sondern das müssen die Parteien, die Fraktionen gemeinsam mit der Regierung entscheiden. Deswegen kommt am Ende der Koalitionsausschuss", betonte Klingbeil am Mittwochabend in der ARD-Sendung "Maischberger".

"Das ist gerade die größte innenpolitische Krise, die diese Ampel zu bewältigen hat", sagte der SPD-Chef. Als möglichen Weg, um den Haushalt nach dem Karlsruher Urteil für das kommende Jahr aufzustellen, nannte Klingbeil die erneute Erklärung einer Notlage wegen des Kriegs in der Ukraine: "Wir sind in keiner normalen Situation, was die Situation in der Ukraine angeht. Ich will, dass die Unterstützung weitergeht. Und das ist ein Punkt, bei dem wir als SPD sagen, so können wir uns vorstellen, diese Situation aufzulösen."

Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, er glaube persönlich, "dass es auf einen vorläufigen Haushalt hinausläuft". Dies bedeutet, dass der Haushalt erst im neuen Jahr beschlossen wird - dann würde Anfang Januar zunächst eine vorläufige Haushaltsführung gelten, nur notwendige Ausgaben wären erlaubt. "Ich weiß nur, dass zwischen dem 24. und 26. Dezember Ruhe herrschen wird. Wie es weitergeht, das ist noch offen", meinte Schwarz. Er kritisierte das Erscheinungsbild der Ampelkoalition. "Das ist unser großes Problem, da ist viel Luft nach oben - auch beim Kanzler."

Voraussetzung für alle weiteren Schritte ist eine grundlegende politische Einigung

Finanzminister Lindner zeigte sich derweil skeptisch beim Subventionsabbau zur Lösung der Haushaltskrise. "Subventionen müssen immer geprüft werden, ob sie ihre Ziele erreichen. Aber nicht selten wird von vermeintlichen Privilegien gesprochen, um dann doch die arbeitende Bevölkerung zu belasten", sagte Lindner der Wirtschaftswoche. Auch ein Abbau vermeintlich umweltschädlicher Subventionen könnte den falschen Bereich treffen, zum Beispiel den sozialen Wohnungsbau.

"Es wird derzeit noch verhandelt. Aber ich habe durchaus Vorschläge gemacht", meinte Lindner zu seiner Position. "Schauen wir doch erst einmal, wo der Staat mit dem Geld, das er hat, besser umgehen und effizienter seine Ziele erreichen kann. Das gilt ganz besonders für die enorm gestiegenen Sozialausgaben", betonte der FDP-Chef. Dort müsse das Geld effektiver eingesetzt werden. "Wir müssen mehr Menschen in Arbeit bringen, die jetzt Bürgergeld in Anspruch nehmen."

Voraussetzung für alle weiteren Schritte ist eine grundlegende politische Einigung. Und auch dafür wird die Zeit knapp. Denn die Kalender des Kanzlers und der Minister sind voll - auch wenn Habeck auf seine für diese Woche geplante Reise zur Weltklimakonferenz in Dubai verzichtete. Lindner wird am Donnerstagnachmittag zum Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel erwartet. Im Laufe des Tages berät auch der Bundesrat auf einer Sondersitzung darüber. Die Länder planen eine Stellungnahme abzugeben, ein Beschluss ist nicht vorgesehen. Von Freitag an trifft sich die SPD dann zu ihrem dreitägigen Bundesparteitag - Scholz soll dort am Samstag reden.

Entstanden ist der Druck durch das Karlsruher Haushaltsurteil. Das höchste deutsche Gericht erklärte eine Umschichtung im Haushalt für nichtig. Dadurch fehlen nicht nur 60 Milliarden Euro, die über vier Jahre für Klimaschutzvorhaben und die Modernisierung der Wirtschaft eingeplant waren. Der Richterspruch wirkte sich auch auf verschiedene kreditfinanzierte Sondertöpfe aus, denn es ist nun klar, dass der Bund sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen darf. Im Haushalt für das kommende Jahr klafft deswegen ein Loch von 17 Milliarden Euro.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6315548
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/lalse
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.