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Grüne:Trittin: Parteitag müsste notfalls Haltung zu AKW-Frage klären

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Für die Grünen ist der Kampf gegen Atomkraftwerke seit Jahrzehnten ein Herzensthema. In der Energiekrise fängt diese Position an zu wackeln. Aber ganz einig ist sich die Partei nicht.

Zur Klärung der Grünen-Position zu längeren Laufzeiten von Atomkraftwerken hält der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin notfalls einen Parteitag für nötig. "Wenn man ernsthaft eine Änderung des Atomgesetzes wollte, wird das ohne Parteitag nicht gehen", sagte Trittin dem Tagesspiegel. "Ob das ein Sonderparteitag sein muss, oder ob wir das auf dem regulären im Oktober machen könnten, ist eine andere Frage." Trittin sprach sich allerdings klar gegen eine Laufzeitverlängerung aus.

Führende Grüne haben in den vergangenen Tagen angesichts der Energiekrise ihre Bereitschaft signalisiert, vom strikten Anti-Atom-Kurs der Partei abzuweichen. Nach SZ-Informationen herrscht in den Führungsgremien der Grünen Einvernehmen, dass das bayerische Kernkraftwerk Isar 2 sechs Monate länger laufen könnte, falls in Bayern im nächsten Winter eine Strommangellage droht. So solle für die Stromproduktion fehlendes russisches Gas ausgeglichen werden.

Zwingende Voraussetzung dafür ist aus Sicht von Wirtschaftsminister Robert Habeck allerdings, dass bei einem zweiten, bundesweiten Stromversorgungs-Stresstest der Nutzen des vorübergehenden sogenannten Streckbetriebes seine Risiken übersteigt. Eine generelle Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke durch den Kauf neuer atomarer Brennstäbe lehnen die Grünen ab.

SPD skeptisch, FDP für befristeten Weiterbetrieb

Trittin, der zwischen 1998 und 2005 als Umweltminister der damaligen rot-grünen Regierung für die Atomkraftwerke verantwortlich war, betonte im Tagesspiegel, auch ein sogenannter Streckbetrieb sei eine Laufzeitverlängerung. Dafür müsse das Atomgesetz geändert werden. "Das werden wir nicht anfassen." Denn die FDP hoffe ansonsten, mit der Union zusammen "alles mögliche da neu rein zu verhandeln".

Wie Trittin steht auch die SPD längeren Laufzeiten skeptisch gegenüber. Parteichefin Saskia Esken sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Auch ein Streckbetrieb hilft uns nicht wirklich gegen die Gasknappheit. Er bringt netto überhaupt nicht mehr Energie, die Stromerzeugung würde nur verschoben." Sie fügte an: "Und auch das wäre alles andere als sicher, in Frankreich sind gerade etliche Meiler nicht am Netz. Daher halte ich nichts von einer Streckung der Laufzeiten."

Der Koalitionspartner der beiden Parteien, die FDP, setzt in der Energiekrise hingegen auf einen befristeten Weiterbetrieb der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke. Fraktionschef Christian Dürr sagte der Rheinischen Post: "Das wäre der richtige Schritt, um unsere Energieversorgung zu sichern und den Strommarkt zu entlasten." Nach aktueller Gesetzeslage müssen die drei Meiler Ende des Jahres abgeschaltet werden.

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