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Großbritannien:"Mann erhöht Steuern, Frau zahlt keine"

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Der britische Finanzminister gerät wegen der Finanzkonstruktion seiner reichen Frau unter Druck. Sein ohnehin angespanntes Verhältnis zu Boris Johnson dürfte das weiter belasten.

Von Michael Neudecker, London

Am Wochenende wurden Umzugswagen auf dem Gelände in Downing Street gesichtet, einige britische Medien veröffentlichten Fotos davon. Die gelben Kleinlaster hatten Möbel und Kisten aus dem Appartement in No. 10 Downing Street geladen - dort lebte bis zu diesem Wochenende Finanzminister Rishi Sunak mit Frau und Töchtern. 1997 hatten Premier Tony Blair und Finanzminister Gordon Brown die Appartements über ihren Amtssitzen in No. 10 und No. 11 getauscht, ihre Nachfolger haben das bis heute beibehalten.

Die Sunaks würden in das Familienhaus nach Kensington umziehen, hieß es, nur Sunak selbst werde unter der Woche noch gelegentlich in Downing Street bleiben. Dass dies keine Nachricht für die Klatschblätter war, sondern für die Politikberichterstattung, ist ein alarmierendes Zeichen für den Zustand von Sunaks Karriere.

Rishi Sunak, 41, geboren in Southampton als Sohn indischer Eltern, galt vor nicht langer Zeit als die Zukunft der Tories. Hätten die Konservativen vor ein paar Monaten den schwer angeschlagenen Boris Johnson aus dem Amt gedrängt und Sunak zu seinem Nachfolger bestimmt, es wäre nicht überraschend gewesen. Johnson aber ist so stoisch wie ein Felsbrocken, wer ihn loswerden will, muss ihn mühsam wegtragen. Also ist er immer noch da, und nach seinem triumphalen Trip als erster G-7-Regierungschef nach Kiew sieht es nicht so aus, als würde sich das bald ändern. Sunak dagegen ist in den Umfragen weit zurückgefallen - und wenn es stimmt, was man in Whitehall murmelt, dann wäre er am Wochenende beinahe zurückgetreten.

In der Sache geht es um den Steuerstatus seiner Frau Akshata Murty. Die Tochter eines milliardenschweren indischen Geschäftsmannes wird, wie nun bekannt wurde, als "non-dom" geführt: Als Ausländerin muss sie auf Einkommen, das sie außerhalb des Vereinigten Königreichs verdient, keine Steuern zahlen. Das ist nicht unüblich, aber auch nicht die Regel. Viele im Königreich lebende Ausländer versteuern hier auch ausländische Einkünfte, seit dem Brexit kommt eine nicht unerhebliche Abgabe für das Gesundheitssystem hinzu. Finanzminister Sunak erhöhte die Steuern zuletzt immer wieder, die Briten müssen heute die höchste Steuerlast seit dem Zweiten Weltkrieg bewältigen.

"Von uns kommt das nicht", beteuert Johnson wenig glaubwürdig

Damit nicht genug. Seit auch noch bekannt wurde, dass Sunak bis Ende 2021 eine Green Card hatte, die ihn berechtigte, in den USA zu leben und zu arbeiten, gibt es in London kein anderes innenpolitisches Thema mehr. Sunak empfindet das als zutiefst unfair, wie er sagte. Außerdem sei die Steuerkonstruktion seiner wohlhabenden Familie nun mal komplex, so leid es ihm tue.

Komplex? Die Sunday Times zitierte einen nicht namentlich genannten "erfahrenen Tory", im Gegenteil, es sei doch sehr einfach: "Mann erhöht Steuern, Frau zahlt keine."

Als Boris Johnson Ende vergangener Woche gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Pressekonferenz auftrat, wollten die britischen Journalisten nur zwei Dinge von Johnson wissen: Ob er Sunak noch unterstützt? Und ob die Vermutung zutrifft, dass sein Team die heikle Information an die Medien weitergegeben hat? Ja, sagte Johnson mehrmals, er stehe zu Sunak. Und nein, "von uns kommt das nicht". Glaubwürdig war beides eher nicht.

Sunak und Johnson wird schon länger ein angespanntes Verhältnis nachgesagt - was mit Blick auf die Historie nur konsequent wäre. Nicht nur in der britischen Regierung ist der Finanzminister der mächtigste Politiker neben dem Regierungschef, die Macht des Geldes ist eben wirkungsvoll. Auch Deutschland hat schon überaus selbstbewusste Finanzminister erlebt, von Franz Josef Strauß über Oskar Lafontaine bis zu Peer Steinbrück und nun Christian Lindner. Im Vereinigten Königreich ist besonders die Beziehung der beiden Labour-Alphatiere Tony Blair und Gordon Brown legendär, es gibt ganze Fernsehdokumentationen darüber.

Sunak erklärte nun, seine Frau werde ihren Status ändern und künftig Steuern zahlen. Der Umzug soll zudem wohl jeglicher Kritik vorgreifen, sie lebe auf Kosten des Steuerzahlers in einer Regierungswohnung, wenngleich die offizielle Begründung eher privat ist: Eine von Sunaks Töchtern besucht eine Grundschule in der Nähe des Hauses in Kensington.

Außerdem bot Sunak eine Untersuchung durch die Ethikaufsicht des Parlaments an. Eine Sprecherin des Premierministers teilte am Montag mit, man nehme das Angebot gerne an.

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