Süddeutsche Zeitung

Gewalt in Syrien:Menschenrechtskommissarin wirft Assad Todesschuss-Taktik vor

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Die Arabische Liga will eine UN-Friedenstruppe nach Syrien entsenden - doch Politiker aus unterschiedlichen Ländern reagieren verhalten. Denn Blauhelme könnten in Syrien nur eingesetzt werden, um Frieden zu sichern - den gibt es jedoch nicht. Ganz im Gegenteil.

Das Regime in Syrien schießt nach Angaben von UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay gezielt auf unbewaffnete Demonstranten. Die Regierung verfolge eine Todesschuss-Taktik, sagte die Südafrikanerin vor der UN-Vollversammlung in New York. "Ohne Warnung wird auf Menschen geschossen, die friedfertig für ihr Recht eintreten."

Die Führung in Damaskus gehe mit Panzern, Artillerie und Scharfschützen gegen unbewaffnete Demonstranten vor. Zudem gebe es Verhaftungswellen. Die Proteste seien weitgehend friedlich, in letzter Zeit werde der bewaffnete Widerstand aber größer. Die von den Vetomächten Russland und China abgelehnte UN-Resolution habe das Regime noch ermutigt: "Die Gewalt reißt nicht ab, sie wird schlimmer", so Pillay. "Allein im vergangenen Jahr sind 5400 Menschen ums Leben gekommen, vor allem Zivilisten und Soldaten, die nicht auf Zivilisten schießen wollten."

Es sei praktisch unmöglich, diese Zahl zu aktualisieren, weil das Regime allen Beobachtern den Zugang verweigere. "Aber wir wissen, dass es jeden Tag mehr werden." In Haft seien auch Kinder, die jüngsten gerade zehn. Bis Ende Januar seien mehr als 400 Kinder getötet worden. Es gebe Berichte über sexuelle Misshandlungen und Vergewaltigungen in Haft. Opfer seien auch Männer und Kinder. Nach Pillays Worten tragen vor allem Zivilisten die Last der Kämpfe. Auch Krankenhäuser würden beschossen oder als Internierungslager zweckentfremdet.

Assad, der einen Rücktritt ablehnt, wirft im Gegenzug ausländischen Terroristen vor, Drahtzieher der Proteste zu sein. Zugleich zeigte sich der syrische Präsident unbeeindruckt von dem Vorschlag der Arabischen Liga für einen gemeinsamen Friedenseinsatz mit den Vereinten Nationen (UN). Dieser sieht vor, internationale Friedenstruppen in das Land zu schicken.

Syriens UN-Botschafter Baschar Dschaafari nannte den Blauhelm-Einsatz absurd: "Wir schicken ja auch keine Soldaten in die USA, um die Occupy-Wall-Street-Demonstranten zu schützen." Ein Regierungsbeamter sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Sana, die Forderung stelle eine "unverhohlene Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes und eine Verletzung der nationalen Souveränität dar".

Ungeachtet der arabischen Initiative für einen Blauhelmeinsatz hält Regierungsgegnern zufolge der Beschuss der Protesthochburg Homs an. Demnach griffen Assads Soldaten verstärkt zwei Stadtteile an, in denen besonders viele Gegner des Staatschefs leben. Opferzahlen lägen nicht vor, da die Verbindung in das umkämpfte Viertel abgerissen sei, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Assad-Gegner.

Andere Aktivisten sprachen von bis zu zehn Toten, als Regierungstruppen die Ortschaft Al-Rastan unter Beschuss nahmen. Das Stadtviertel Baba Amro in Homs werde seit dem Morgengrauen mit Mörsergranaten beschossen, hieß es.

Verhaltene Reaktionen aus Russland und China

Eine UN-Friedensmission kann nur der Weltsicherheitsrat entsenden. Doch es dürfte schwierig werden, das Vorhaben zu realisieren. Die beiden UN-Vetomächte Russland und China, die kürzlich die Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat zur Verärgerung des Westens und der arabischen Welt scheitern ließen, reagierten reserviert.

Vor einem internationalen Einsatz müsse die Gewalt beendet werden, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow. Dazu sei Druck auf Regierung und Opposition in Syrien notwendig. "Mit anderen Worten: Ein Waffenstillstand muss vereinbart werden. Aber die Tragödie ist, dass die bewaffneten Gruppen, die die Truppen des Regimes konfrontieren, niemandem unterstellt und nicht unter Kontrolle sind."

China ließ ebenfalls keine klare Zustimmung erkennen, würdigte aber die Friedensbemühungen der Arabischen Liga. Die UN könnten in dem Konflikt auf der Grundlage ihrer Charta und den Normen diplomatischer Beziehungen ihre konstruktive Hilfe anbieten, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking.

Auch der britische Außenminister William Hague äußerte sich zurückhaltend. Friedenstruppen in Syrien sollten nicht vom Westen gestellt werden, sagte er bei einem Besuch in Südafrika. Wenn sich jedoch zeige, dass ein Friedenseinsatz realisierbar wäre, "werden wir ihn auf all den üblichen Wegen unterstützen"".

Bundesaußenminister Guido Westerwelle bekräftigte die Forderung, den Vorstoß der Liga schnell im UN-Sicherheitsrat zu prüfen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte in Berlin, die Frage einer deutschen Teilnahme an einem Syrien-Einsatz stelle sich derzeit nicht. Der Generalsekretär der Liga, Nabil Elarabi, wird nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag zu seinem Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet. .

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