Süddeutsche Zeitung

Germanwings:Fruststreik

Warum der Arbeitskampf harmlos, aber auch nützlich ist.

Von Detlef Esslinger

Ganz bestimmt gibt es schlimmere Streiks als den, zu dem die Gewerkschaft UFO derzeit bei Germanwings aufruft, einer Tochterfirma der Lufthansa. Nur knapp 200 von 1200 Verbindungen fallen aus, meistens Inlandsflüge - und dies an drei Tagen, an denen garantiert niemand eine Konferenz in Hamburg oder Leipzig verpasst. Und Wintersport in Dortmund haben auch nur wenige geplant. Volumen sowie Timing dieses Streiks zeigen, dass es der Gewerkschaft eher um eine Frust- als um eine Machtdemonstration geht.

Ihr Verhältnis zur Lufthansa-Führung bleibt verkorkst; die Gewerkschaft verdächtigt den Konzern, ihr die Existenz streitig machen zu wollen. Seit Langem betrifft der Clinch daher mehrere Fluglinien des Konzerns. Über bessere Regelungen zu Teilzeitjobs bei Germanwings - den offiziellen Streikgrund - streiten beide Seiten sich daher so, wie sich ein Ehepaar wegen der offenen Zahnpastatube streitet. Es geht nicht um die Tube.

Indes ist dieser Streik sogar eine charmante Idee. Viele halten es immer noch für erhebend, von München nach Köln oder Berlin zu fliegen. Aber selbst wer die Erderwärmung kaum erwarten kann und ihr deshalb Tempo machen will: Das geht auch mit Himbeerenessen im Winter oder indem man die Wohnung auf 25 Grad heizt; beides wäre sogar wohliger als ein Inlandsflug. Bis man bei Germanwings auf seinem Mittelsitz hockt, ist der Zug schon kurz vor Erfurt. Es war gewiss nicht die Absicht der Flugbegleiter, auf so was hinzuweisen. Aber wenn sie's schon mal tun.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2019
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