Süddeutsche Zeitung

George-Floyd-Prozess in den USA:Ankläger aus Überzeugung

Lesezeit: 2 min

Der erfolgreiche Anwalt Jerry Blackwell will helfen, den mutmaßlichen Mörder von George Floyd ins Gefängnis zu bringen - ohne Vergütung.

Von Thorsten Denkler

Jerry W. Blackwell müsste das alles nicht machen. Er ist ein erfolgreicher Anwalt in Minneapolis. Seine Kanzlei Blackwell Burke vertritt große Unternehmen wie 3M, Walmart oder General Mills. Aber Blackwell gehört wohl zu jenen Menschen, die bereit sind, ihre Fähigkeiten kostenlos zur Verfügung zu stellen, wenn sie von der Sache überzeugt sind.

Nur drei Autominuten von Blackwells Kanzlei entfernt hat am 25. Mai 2020 der damalige Polizist Derek Chauvin dem Afroamerikaner George Floyd neun Minuten sein Knie in den Nacken gedrückt, mit der Folge, dass später im Krankenhaus nur noch Floyds Tod festgestellt werden konnte. Der Mann war wegen eines gefälschten 20-Dollar-Scheins festgenommen worden.

Die Videos der Tat haben die USA aufgewühlt. Millionen Menschen sind in den Wochen und Monaten danach wegen der ausufernden Polizeigewalt gegen Schwarze auf die Straße gegangen. Und nun stand Jerry Blackwell im Gerichtssaal von Richter Peter Cahill in Minneapolis und hielt vor den zwölf Geschworenen das Eröffnungsplädoyer für die Staatsanwaltschaft.

Er macht das "pro bono", also freiwillig und ohne Vergütung. Als ein vom Justizministerium von Minnesota beauftragter Sonderstaatsanwalt. Bürgerrechtsorganisationen hatten einen solchen unabhängigen Sonderstaatsanwalt für diesen Prozess gefordert. Weil der mutmaßliche Täter ein Ex-Polizist ist. Und die Staatsanwaltschaft gemeinhin eng mit der Polizei zusammenarbeitet. Womöglich zu eng, um eine glaubwürdige Anklage vorbereiten zu können.

Blackwell ist im Frühjahr zum Anwalt des Jahres 2020 im Bundesstaat Minnesota gekürt worden. Und zwar für den erfolgreichen Abschluss eines außergewöhnlichen Falles. Erstmals in der Geschichte des Bundesstaates ist es mit Blackwells Hilfe gelungen, eine posthume Begnadigung zu erwirken. Es ging um den Afroamerikaner Max Mason, der 1920 eine weiße Frau vergewaltigt haben soll. An Masons Schuld gab es damals schon Zweifel. Beweise gab es nicht. Und der Arzt der Familie des angeblichen Opfers fand keine Hinweise für eine Vergewaltigung. Mason wurde dennoch ebenso verhaftet wie fünf weitere beschuldigte schwarze Zirkusarbeiter.

Eine aufgebrachte Menge zerrte die Männer damals aus dem Gefängnis und brachte drei von ihnen um. Die Ereignisse sind als die "Lynchmorde von Duluth" gut dokumentiert. Für die drei Gelynchten ist sogar ein Mahnmal aufgestellt worden. Mason wurde später zu 30 Jahren Haft verurteilt. Er kam nach fünf Jahren auf Bewährung frei, musste aber den Staat verlassen. Er starb 1961 und war zu Lebzeiten nie rehabilitiert worden. Auch weil es in Minnesota kein Prozedere dafür gab. Bis sich nun Jerry Blackwell des Falls annahm.

Auf die Frage, was der lohnendste Aspekt seiner Arbeit sei, sagte er jüngst: "Sich neuen Herausforderungen zu stellen, ist sowohl eine Belohnung als auch eine Gelegenheit, etwas zurückzugeben." Er meinte damit vor allem den Fall Max Mason.

Jetzt steht er wieder vor einer Herausforderung, die ihn diesmal in das Rampenlicht einer Weltbühne gestellt hat. Blackwell ist bekannt dafür, dass er einer Geschworenenjury komplexe Sachverhalte klar und verständlich präsentieren kann. Und der Fall Derek Chauvin ist nicht ganz so einfach, wie die Videos der Tat auf den ersten Blick annehmen lassen.

Die Staatsanwaltschaft will, dass Chauvin unter anderem wegen Mordes verurteilt wird. Die Polizei hat ihn mittlerweile entlassen, er ist auf Kaution frei, ihm drohen 40 Jahre Haft. Jerry Blackwell sagte in seinem Eröffnungsplädoyer, dass es für den Mord nicht den einen schlagenden Beweis gebe. Aber die Summe aller Beweise lasse keinen anderen Schluss zu. Er appellierte an die Geschworenen, in seinen klaren und einfachen Worten, sich das Video genau anzusehen. "Trauen Sie Ihren Augen", sagte er zu ihnen. "Es war Mord."

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