Süddeutsche Zeitung

Impfskandal in Friesland:Anwalt der Krankenschwester widerspricht Darstellung der Ermittler

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Im Fall möglicher Impfungen mit Kochsalzlösungen in Friesland stellen sich neue Fragen - und ein weiterer Verdacht macht die Runde.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Die Geschichte um die Corona-Impfungen und die Kochsalzlösung in Friesland wird immer skurriler. Seit Dienstag sind dort fast 8600 Geimpfte aufgerufen, sich noch mal impfen zu lassen, weil es sein könne, dass sie bisher nur eine Lösung aus Natriumchlorid bekommen hatten. Eine Krankenschwester wird verdächtigt, die Spritzen ohne Wirkstoff aufgezogen zu haben, sogar von politischen Motiven ist die Rede. Nun widerspricht ihr Anwalt einem Verdacht - und ein anderer Verdacht macht die Runde.

In mehreren Medien wird der Jurist mit den Worten zitiert, dass seine Mandantin weder aus einer politischen Motivation heraus gehandelt habe noch Impfwilligen lediglich Kochsalzlösung verabreicht worden sei. Laut seiner Darstellung wollte sie nur einmal verschütteten Impfstoff mit Resten aus anderen Ampullen ausgleichen.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg bestätigt jetzt auf Anfrage, dass dies in der ersten Vernehmung Ende April tatsächlich angeklungen sei. Landkreis und Polizei hatten damals allerdings mitgeteilt, dass die Spritzen nur mit Kochsalzlösungen aufgezogen worden seien. "Unglücklich ausgedrückt", sagt ein Staatsanwalt.

Gleichzeitig informiert er nun über eine andere, eine zweite Ermittlung in der Sache. Demnach könnte es sein, dass die Beschuldigte eine in ihrem Impfpass sowie auf einem Ersatzdokument dokumentierte Impfung gar nicht bekommen hat. Nach Angaben einer Zeugin habe sie selbst um die Injektion einer Spritze gebeten, die sie nur mit Kochsalzlösung aufgezogen habe. Dazu sei es dann aber nicht gekommen.

8557 Menschen sollen sich erneut impfen lassen

Etwas verwirrend, das alles. Jedenfalls arbeitete die Frau für das Deutsche Rote Kreuz im Impfzentrum Friesland, ihr soll dort beim Aufziehen von Spritzen am 21. April eine Ampulle mit dem Impfstoff von Biontech heruntergefallen sein. Sie sagte offenbar, sie habe das vertuschen wollen. Sie schweige nicht, wie zuletzt behauptet wurde, sagt der Anwalt. Sie habe ihren Fehler sofort zugegeben.

Bei 22 seinerzeit Geimpften konnten bei Tests keine Antikörper nachgewiesen werden, sie wurden nachgeimpft. Die DRK-Mitarbeiterin wurde sofort entlassen. Zeugenaussagen und Posts legten Polizei und Staatsanwaltschaft später nahe, dass sie der Corona-Politik und den Impfungen kritisch gegenüberstehe. Bewiesen ist trotz schwerer Vorwürfe nichts.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach wie vor in sechs Fällen wegen möglicher Körperverletzung. Die Kreisverwaltung Friesland rät dagegen allen, die in der siebenwöchigen Dienstzeit der Verdächtigen geimpft wurden, sich noch mal impfen zu lassen. Das sind 8557 Menschen. Tausende haben sich bereits über eine Hotline gemeldet oder schon neue Termine ausgemacht, der Fall erregt internationale Aufmerksamkeit.

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