Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Chirac muss vor Gericht

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Veruntreuung öffentlicher Mittel: Mit Jacques Chirac wird erstmals einem ehemaligen Staatspräsidenten in Frankreich der Prozess gemacht. Freunde Chiracs halten Sarkozy für die treibende Kraft hinter dem Verfahren.

Dem früheren französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac wird wegen Korruption der Prozess gemacht. Es ist das erste Mal, das sich ein ehemaliges französisches Staatsoberhaupt einem Gerichtsverfahren stellen muss. Chirac hatte in Frankreich lange politische Immunität genossen.

Ihm wird vorgeworfen, während seiner Amtszeit als Pariser Bürgermeister von 1977 bis 1995 zahlreichen Personen "Gefälligkeitsjobs" in seinem Büro verschafft zu haben. Die Angestellten wurden vom Rathaus bezahlt, obwohl sie nicht für die Stadt arbeiteten. Unter den Nutznießern waren die Frau eines Ex-Ministers und der Chauffeur eines Gewerkschaftsbosses.

Veruntreuung öffentlicher Gelder und Vertrauensmissbrauch

Mindestens einen der Verträge soll Chirac persönlich unterzeichnet haben. Die Vorwürfe sind seit etwa zehn Jahren bekannt, doch während seiner Zeit als Präsident von 1995 bis 2007 genoss Chirac Immunität. Erst nach seinem Abtritt von der Staatsspitze nahm sich die Justiz der Causa an.

Die zuständige Richterin Xavière Simeoni ordnete nun ein Strafverfahren wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder und Vertrauensmissbrauch an. Die Staatsanwaltschaft hatte die Einstellung des Verfahrens beantragt - Richterin Simeoni gab dem jedoch nicht statt.

Die oppositionelle Sozialistische Partei (PS) bedauerte, dass es erst nach so langer Zeit zu einem Verfahren komme. Es handele sich um einen "schweren Fall", in dem sich auch viele Vertraute des früheren Präsidenten verantworten müssten, sagte Parteisprecher Benoît Hamon. Im Übrigen sei es für Frankreichs Ansehen im Ausland "nicht sehr gut", wenn sich ein ehemaliger Staatschef wegen Scheinarbeitsverhältnissen vor einem Gericht verantworten müsse.

Alte Rechnungen

Freunde Chiracs wittern hinter diesem Schritt den heutigen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der mit seinem Intimfeind Chirac alte Rechnungen begleichen wolle.

In einem Zeitungsbeitrag im November 2007 hatte der Ex-Staatschef eingeräumt, die Anstellungen in seinem Rathaus "gewünscht oder autorisiert" zu haben. Sie seien nach damaliger Gesetzeslage legitim gewesen und hätten ihm ermöglicht, seine zahlreichen Aufgaben besser zu erfüllen. Das Büro Chiracs bekräftigte, der konservative Politiker wolle sich den Anschuldigungen gerne stellen und beweisen, dass sie nicht gerechtfertigt seien.

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