Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Affäre um Vertrauten wird zum Belastungstest für Macron

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Von Christian Wernicke, Paris

Er gilt als rechte Hand von Emmanuel Macron: Richard Ferrand ist ein Mann der ersten Stunde, als Mitbegründer der Bewegung En Marche!, so schworen Parteikader noch vor wenigen Tagen, genoss der 54 Jahre alte Abgeordnete bisher "das absolute Vertrauen" des französischen Präsidenten. Ferrand war der Mann fürs Grobe: Schärfer als Macron wetterte er im Wahlkampf über die Skandale des Republikaners François Fillon, energischer als andere forderte Ferrand eine "tief greifende Erneuerung" von Frankreichs politischen Sitten und Gebräuchen. Seit zwei Wochen ist er Minister für Wohnung und Städtebau. Und seit sieben Tagen gärt der Verdacht, er predige aller Welt gern Wasser - um sich und den Seinen voll einzuschenken.

Der "Fall Ferrand" wird zum ersten Belastungstest für den Präsidenten. Zwölf Tage vor dem ersten Durchgang der Parlamentswahl muss sich Macron entscheiden: Ist er loyal zu einem seiner ersten Getreuen, oder opfert er ihn gemäß den Prinzipien jener "Revolution", die er als "Kandidat gegen das System" im Wahlkampf versprochen hatte?

Am Dienstagabend ließ der Élyseé wissen, Macron habe weiterhin "Vertrauen" in den Minister.

Täglich kommen neue Details über Ferrands Vorleben zutage. Vorige Woche enthüllte das Satireblatt Le Canard enchaîné, der langjährige Generaldirektor einer gemeinnützigen Krankenversicherung in der Bretagne habe vor sieben Jahren seiner Lebensgefährtin ein lukratives Immobiliengeschäft zugeschanzt. Demnach erwarb seine Gefährtin 2011 ein extrem preiswertes Gebäude in Brest, für das die Versicherung 184 000 Euro Renovierungskosten übernahm und seither jährlich 42 000 Euro Miete zahlt. Nach Schätzung des Canard hat sich der Wert einer findig gegründeten Trägergesellschaft um das 3000-fache erhöht. Ferrand verweist darauf, dass die Staatsanwaltschaft bisher keinen Grund für strafrechtliche Ermittlungen sieht.

Rechtlich unanfechtbar scheinen auch Ferrands andere Arrangements zu sein, die am Dienstag Le Monde ausgrub. Nach 14 Jahren als Krankenkassenchef legte der Sozialist 2012 zwar sein Amt nieder, um als Abgeordneter in die Nationalversammlung zu wechseln, aber er blieb seinem Versicherungsverein verbunden: Von seiner Nachfolgerin ließ sich Ferrand einen Beratervertrag ausstellen, Monatssalär 1250 Euro. Zugleich beschäftigte er den Lebenspartner seiner Nachfolgerin mehr als zwei Jahre als parlamentarischen Assistenten. 2015 stellte Ferrand wiederum seinen Sohn an - eine alte Unsitte Pariser Parlamentarier, die En Marche und Ferrand im Wahlkampf fast täglich geißelten. Zudem nährt Le Monde den Verdacht, Ferrand habe als Kassenmanager seiner früheren Ehefrau geholfen, mindestens zwei Aufträge zur Renovierung eines Altenheims und eines Gesundheitszentrums zu ergattern.

Ferrands Einlassungen erinnern verheerend an Ehrenerklärungen von Fillon

Ferrand wies am Dienstag alle Vorwürfe zurück, und er "verdammt" alle Unterstellungen, etwas Illegales getan zu haben. Obendrein musste sich Europaministerin Marielle de Sarnez des Verdachts erwehren, sie habe als EU-Abgeordnete eine Mitarbeiterin widerrechtlich beschäftigt. Ausgerechnet Sarnez hatte am Montag gelästert, Ferrands Gewohnheiten seien "allein seine Affäre".

Zu Ferrands Dilemma wird, dass seine Einlassungen verheerend an manche Ehrenerklärung Fillons im Wahlkampf erinnern. Und dass Macron und sein Justizminister François Bayrou nächste Woche ein Gesetz für mehr Moral in der Politik vorstellen wollen: Politiker dürften keine Beraterverträge mehr unterschreiben, keine Verwandten mehr als Mitarbeiter anstellen - und maximal dreimal für dasselbe Wahlamt kandidieren. Das wären so hehre wie abstrakte Regeln. Nur, der Fall Ferrand bleibt konkret.

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SZ vom 31.05.2017
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