Süddeutsche Zeitung

Pressefreiheit in Österreich:Für die FPÖ gibt es kaum mehr Grenzen

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Die Attacken der FPÖ auf ORF-Moderator Armin Wolf zeigen, wie weit sich der politische Diskurs in Österreich nach rechts verschoben hat. Um die Pressefreiheit muss zu Recht gebangt werden.

Kommentar von Leila Al-Serori

Journalisten sind es in Österreich gewohnt, dass Politiker anrufen und protestieren wegen unliebsamer Berichterstattung. Waren diese Proteste aber bisher überschaubar und weitgehend vernachlässigbar, haben sie seit Antritt der ÖVP/FPÖ-Regierung ein alarmierendes Ausmaß angenommen. Und es wird nicht mehr nur angerufen - es wird offen mit Konsequenzen gedroht.

Neuester Fall in der Reihe von Angriffen auf die freie Presse: der Schlagabtausch zwischen dem ORF-Moderator Armin Wolf und den Freiheitlichen nach einem kritischen Studiogespräch mit einem FPÖ-Kandidaten in der Nachrichtensendung "ZiB2". Mehrere Politiker der Regierungspartei haben inzwischen den Rauswurf Wolfs gefordert. Dass so etwas überhaupt möglich ist, zeigt, wie weit sich der Diskurs in Österreich nach rechts verschoben hat.

Jahrzehntelang hat die FPÖ die Grenzen des Sagbaren immer weiter ausgereizt. Als Kanzler Sebastian Kurz von der ÖVP mit den Rechtspopulisten eine Regierung bildete, hat er sie endgültig salonfähig gemacht. Und er hat ihre rechtsradikalen Ausfälle durch sein großzügiges Schweigen weitgehend toleriert, um seine eigene Agenda nicht zu gefährden. Das hat zur Folge, dass nicht nur rechtsextremes Vokabular kaum noch Aufsehen erregt, sondern dass auch Angriffe auf die Pressefreiheit schulterzuckend hingenommen werden.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache kann öffentlich den von den rechtsextremen Identitären geprägten Begriff "Bevölkerungsaustausch" nutzen, wie am Wochenende in einem Zeitungsinterview. Das von der FPÖ geführte Innenministerium kann eine Liste von unliebsamen Medien erstellen lassen, die offenbar benachteiligt werden sollen. Und FPÖ-Leute können öffentlich fordern, Armin Wolf abzusetzen, einen der bekanntesten Moderatoren des Landes. Damit hat die FPÖ wieder einmal manifestiert, dass sie mit kritischer Berichterstattung nicht umgehen kann und immer härter dagegen vorgehen wird. Die Aushöhlung der Pressefreiheit in Österreich hat ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Was noch vor wenigen Wochen kaum Beachtung fand, wirkt heute umso eindringlicher als Warnung: Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" stufte Österreich bei der Pressefreiheit von Platz elf auf Platz 16 herunter. Eine massive Verschlechterung für ein EU-Land. Wer die aktuellen Angriffe auf den ORF-Moderator Wolf verfolgt, kann sich darüber nicht wundern - sondern muss sich vielmehr fragen, auf welchem Platz Österreich nächstes Mal landen wird. Wird es überhaupt noch für die Top 20 reichen? Wenn die FPÖ weiterhin unbehelligt schalten und walten kann, dürfte die Frage schon beantwortet sein.

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