Süddeutsche Zeitung

Terrorabwehr in Deutschland:Welche Sicherheitsgesetze sich ändern

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Die neuen deutschen Anti-Terror-Paragrafen, die das Kabinett verabschieden will, sind nicht zahlreich. Das liegt daran, dass das gesetzliche Potenzial schon weitgehend ausgeschöpft ist. Was geplant ist: vom Entzug des Personalausweises bis zur Vorratsdatenspeicherung.

Von Heribert Prantl

Der islamistische Terrorismus hat das deutsche Straf- und Sicherheitsrecht fundamental verändert. Das ist nicht neu, das ist nun schon 13 Jahre her. Im Januar 2002, wenige Monate nach den Attentaten vom 11. September 2001, wurden die größten und weitest reichenden Sicherheitspakete Gesetz, die es in der Geschichte der Bundesrepublik je gegeben hat.

Es gibt seitdem in einem rechtsstaatlichen Recht kaum noch Lücken, in die man noch neue Gesetze pressen könnte. Deshalb sind die aktuell von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vorbereiteten Änderungen nicht sehr umfangreich.

Mit den Pariser Anschlägen haben die Neuerungen nichts zu tun

Es gibt daher derzeit kein neues Anti-Terror-Gesetzespaket, auch kein Päckchen - es ist eher ein dicker Brief. Dieser Anti-Terrorbrief soll in zwei Wochen vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Mit den Terroranschlägen vom 7. Januar 2015 in Paris hat er unmittelbar nichts zu tun. Die Gesetzesvorhaben stammen aus dem Herbst 2014.

Die sehr langen Listen von Rechtsänderungen in den Jahren 2001/2002ff waren seinerzeit nach dem damaligen Bundesinnenminister als "Schily-Katalog", die fertigen Gesetzespakete als "Schily-Pakete" bezeichnet worden. Geheimdienste, Bundeskriminalamt und Bundesgrenzschutz - die heutige Bundespolizei - erhielten großzügig neue Kompetenzen.

Das Ausländergesetz wurde verschärft, biometrische Merkmale wurden in die Personalausweise eingefügt, der Zugriff auf Handy-Daten wurde erleichtert, Datenschutz reduziert, das Anti-Terror-Strafrecht verschärft. Ursprünglich sollten die Änderungen, Kompetenzerweiterungen und Verschärfungen für drei Jahre gelten. Die Befristungen wurden verlängert; das Ausnahmerecht ist mittlerweile Standard geworden.

Im Anti-Terror-Strafrecht hatte der Gesetzgeber schon zu RAF-Zeiten begonnen, die Strafbarkeit in die Vorbereitung einer Tat hinein auszudehnen. Diese Vorverlagerung der Strafbarkeit wurde nach dem 11. September 2001 und nach weiteren Anschlägen in Madrid und London sowie der Entdeckung von zwei Kofferbomben in deutschen Regionalzügen weiter vorangetrieben.

Ergänzungen und Spezifizierungen

Der derzeit geltende Paragraf 89 a Strafgesetzbuch, der die Vorbereitung schwerer Gewalttaten bestraft, erfasst auch Täter, die sich mit der Planung irgendeines, noch vagen Anschlags befassen - auch wenn die potenziellen Täter die Konkretisierung von Ort, Zeit, Opfern und Tatausführung noch späteren Überlegungen, weiteren Vorbehalten oder dem Zufall überlassen wollen. Kritiker sagen, diese neuen Regeln bestrafen schon gefährliche Gedanken.

Der neue legislative Anti-Terror-Brief der Regierung bringt Ergänzungen und Spezifizierungen. Aus dem Haus de Maizière kommt das Gesetz, das es ermöglicht, Islamisten mindestens sechs Monate lang den Personalausweis wegzunehmen. Aus dem Haus Maas kommen zwei Änderungen des Strafgesetzbuchs. Einmal geht es um Strafen für die Finanzierung von Terrorismus. Zweitens um Reisen ins Ausland zur Beteiligung an Terrorakten.

Der Entzug des Personalausweises: Der Pass durfte bisher schon entzogen werden, der Personalausweis nicht. Dies soll nun künftig möglich sein; die Betroffenen sollen ein Ersatzdokument erhalten, das aber eine Ausreise nicht erlaubt. In der juristischen Diskussion wurden rechtsstaatliche Bedenken geltend gemacht. Warum? Im Personalausweisgesetz ist dieser Ausweis explizit als Legitimationspapier auch für den privaten Bereich bestimmt. Der Gesetzgeber ordnet nämlich an, dass auch bei privaten Geschäften der Ausweis vorgelegt werden muss - zum Beispiel bei einer Kontoeröffnung. Die Kritik warnt daher vor "Stigmatisierungseffekten". Auch auf die praktische Umsetzungsschwierigkeiten haben sie hingewiesen. Wie soll ein Ausweisentzug umgesetzt werden? Mittels Hausdurchsuchungen? Die Betroffenen werden den Ausweis kaum freiwillig abgeben, räumt etwa der niedersächsische SPD-Innenminister Boris Pistorius ein.

Paragraf 89 c neu Strafgesetzbuch (Terrorfinanzierung): Finanzierung terroristischer Aktivitäten ist natürlich auch schon bisher strafbar: ganz allgemein als Beihilfe zu einer Terrorstraftat, ganz konkret in Paragraf 89 a Absatz 2 Nummer 4. Wegen Vorbereitung einer Gewalttat wird danach schon jetzt (mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) bestraft, wer "nicht unerhebliche Vermögenswerte" zur Begehung von solchen Straftaten "sammelt, entgegennimmt oder zur Verfügung stellt". Aus dieser Vorschrift wird nun aber ein eigener Paragraf 89 c gebastelt. An der Strafhöhe ändert sich nichts. Es wird aber auf das bisherige Tatbestandsmerkmal "nicht unerhebliche" Vermögenswerte verzichtet. Was bisher "nicht unerheblich" war, wussten auch Strafjuristen nicht so genau. Kommentatoren ließen 2000 Euro "bei preisgünstigen Taten" genügen. Auch Terrorunterstützung mit kleineren Beträgen ist also nun künftig strafbar. Das Ganze geht zurück auf Empfehlungen der 1989 gegründeten "Financial Action Task Force" (FATF), deren Mitglied Deutschland ist. Maas und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatten gegenüber FATF schon mit Schreiben vom 19. Mai 2014 ein entsprechendes Gesetz angekündigt.

Paragraf 89 a Abs 2 Nr 4 neu Strafgesetzbuch (Reisen zur Beteiligung an Terrorakten): Der tätige Aufenthalt in einem Terrorcamp ist schon nach geltendem Recht strafbar, als Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach Paragraf 89 a (bis zu zehn Jahren Haft) oder als Anleitung zur Begehung einer solchen Gewalttat nach Paragraf 91 (bis drei Jahren Haft). Besonders praktikabel waren diese Vorschriften wegen Beweisschwierigkeiten nicht. Nun soll bereits das Reisen in Länder, in denen es solche Terrorcamps gibt, bestraft werden - bei einschlägigen Absichten des Reisenden. Man setzt damit die UN-Resolution gegen "Foreign Fighters" in deutsches Recht um. Ist diese Ausweitung der Strafbarkeit praktikabel? Maas erklärte der Süddeutschen Zeitung, dass radikale Islamisten, die ausreisen, sich oft bei ihren Eltern oder bei Freunden entsprechend erklären und ein "Wiedersehen bei Allah" ankündigen. In solchen Fällen könne man nun künftig schnell, repressiv und präventiv eingreifen. Maas räumt ein, dass damit das Strafrecht noch weiter in die Bereiche bloßer Vorbereitung von Straftaten ausgedehnt wird.

Vorratsdatenspeicherung: Die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung kommt nach Ansicht von Maas nicht in Betracht. Dagegen stünden schon die Urteile des Bundesverfassungsgerichts von 2010 und des Europäischen Gerichtshofs von 2014.

Staatsbürgerschaftsrecht: Maas lehnt auch einen Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft von gewalttätigen Islamisten ab. In der Union hatte es Vorschläge gegeben, den Eintritt in eine Terrormiliz so zu behandeln wie den Eintritt in die Armee eines ausländischen Staates. Dann erlischt grundsätzlich (mit diversen Ausnahmen) die deutsche Staatsbürgerschaft. Maas tritt einer Ausweitung dieser Regelung schon deswegen entgegen, weil damit Terrororganisationen wie der "Islamische Staat" quasi zum echten Staat aufgewertet würden.

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Quelle:
SZ vom 13.01.2015
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