Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingspolitik:Österreichs Vizekanzler: Koalition der Willigen gescheitert

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Von Thomas Kirchner und Alexander Mühlauer, Brüssel

Die von Österreich angekündigte Obergrenze für Flüchtlinge verstößt nach Ansicht der EU-Kommission gegen internationales Recht. Die Begrenzung der Zahl von Asylanträgen sei nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Genfer Konvention sowie mit Artikel 18 der EU-Grundrechte-Charta vereinbar, schrieb EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos am Donnerstag an die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Er forderte die Wiener Regierung auf, die Maßnahmen zu überdenken.

Österreich hatte angekündigt, die Zahl der Asylanträge an der Grenze auf 80 pro Tag zu reduzieren. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kritisierte dieses Vorhaben: "Ich mag diese Entscheidung nicht." Er werde mit dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann am Rande des EU-Gipfels in Brüssel eine "freundliche Diskussion" über das Thema führen.

"Koalition der Willigen" angeblich gescheitert

Österreichs Vizekanzler Reinhold Mitterlehner erklärte, dass die sogenannte "Koalition der Willigen" in der Flüchtlingskrise offensichtlich nicht mehr bestehe. Ausdruck dessen seien auch die Maßnahmen seines Landes. Diese seien nötig, weil die EU die Außengrenzen nicht wirksam schütze. "Solange das nicht ausreichend passiert, kann nicht alles auf Österreich abgeladen werden." Faymann sagte mit Blick auf die Obergrenze: "Wir bleiben dabei."

Ein vor dem Gipfel geplantes Treffen zwischen der Türkei und der "Koalition der Willigen", darunter Deutschland, Österreich und neun weitere Staaten, wurde nach dem Terroranschlag in Ankara abgesagt. EU-Kreisen zufolge wäre dort die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingskontingenten aus der Türkei ein Thema gewesen. "Das sagt aber nicht, dass wir nicht weiter arbeiten können", sagte Kanzlerin Angela Merkel vor dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs. Es sei gut, wenn die Türkei und die EU sich die Lasten der Flüchtlingskrise teilten. Sie erwarte intensive Diskussionen, wolle aber weiterhin eine Lösung der 28 EU-Mitgliedstaaten.

Neue EU-Institution soll humanitäre Hilfe für Flüchtlinge leisten

Beim Thema Migration bekräftigte der Gipfel die bisherigen Absichten und Beschlüsse, die EU-Außengrenzen besser zu schützen und Flüchtlinge umzuverteilen. Verstärkt werden soll laut den vorliegenden Schlussfolgerungen die humanitäre Hilfe für die Balkanstaaten und Griechenland. Dazu soll eine neue Institution gegründet werden, die innerhalb Europas ähnlich schnell und effizient helfen soll wie im Falle internationaler Katastrophen.

Am Donnerstagabend ging es in Brüssel jedoch zunächst um die Frage, wie der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union verhindert werden kann. Vor Beginn der Verhandlungen sagte Premier David Cameron, dass mit "gutem Willen und harter Arbeit" eine Einigung möglich sei. Besonders umstritten war die Frage, wie lange bestimmte Sozialleistungen für EU-Ausländer beschränkt werden könnten. Merkel versprach, sie werde alles dafür tun, die Briten in der Europäischen Union zu halten.

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Quelle:
SZ vom 19.02.2016
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