Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge:Blockade der Balkanroute wird wahrscheinlicher

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Von Daniel Brössler, Brüssel

Endlich soll es Erfolge zu vermelden geben. An diesem Mittwoch wird EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos Bericht erstatten. Die europäische Öffentlichkeit soll dann erfahren, wie weit die Bemühungen um die Errichtung von Aufnahme- und Registrierungszentren für Flüchtlinge gediehen sind. Wirkliche Fortschritte in der Krise, das weiß die Kommission, bemessen sich allerdings daran, ob die Zahl der mit Ziel Deutschland durch den westlichen Balkan reisenden Migranten abnimmt.

Das zeichnet sich bislang zumindest nicht ab, weshalb der Plan B immer wahrscheinlicher zu werden scheint: Bei einem EU-Treffen in Amsterdam machten die österreichischen Minister für Äußeres und Verteidigung, Sebastian Kurz und Hans Peter Doskozil, klar, dass sie zu einer Blockade der Balkanroute eigentlich keine Alternative mehr sehen.

Mazedonien baut einen neuen Zaun

Dazu passen Meldungen aus Skopje, wonach Mazedonien mit der Verstärkung des im November errichteten Grenzzauns zum südlichen Nachbarn Griechenland begonnen hat. Soldaten begannen am Montag in der Nähe der mazedonischen Grenzstadt Gevgelija einen neuen Zaun mit aufgesetztem Stacheldraht zu errichten. Der neue Zaun soll 37 Kilometer lang werden.

"Die Botschaft an die Migranten lautet: Geben Sie es auf, die Grenze illegal zu überqueren", zitierte die Nachrichtenagentur AFP einen Offizier der mazedonischen Streitkräfte. Am Vortag waren nach Angaben des Innenministeriums mehr als 2800 Flüchtlinge und Migranten auf ihrem Weg Richtung Österreich und Deutschland registriert worden. Ein Drittel von ihnen seien Kinder gewesen. Durchgelassen werden nur Syrer, Iraker und Afghanen mit Reiseziel Deutschland und Österreich.

Österreichs Außenminister Kurz hatte schon vergangene Woche von einer Bereitschaft Mazedoniens gesprochen, "den Flüchtlingszustrom zu reduzieren, zu drosseln, vielleicht sogar zu stoppen". Und er hatte klargemacht, dass die österreichische Regierung genau auf so eine Drosselung setzt, um die von Wien verkündete Obergrenze von 37 500 Aufzunehmenden einzuhalten. "Die letzte Chance für uns ist, die Flüchtlinge an der österreichischen Grenze zu stoppen. Wenn es eine Kooperation gibt, sie schon vorher zu stoppen, dann ist das natürlich in unserem Sinne", hatte er erklärt.

Österreich setzt dabei auch auf den Einsatz des Militärs, wie Verteidigungsminister Doskozil klarmachte. In "zivil-militärischen" Missionen sollen demnach in Nicht-EU-Staaten wie Mazedonien Hotspots entstehen, die dazu dienen Flüchtlinge zu registrieren, Migranten aber auch auf ihrem Weg zu stoppen.

Ebenso hat sich Slowenien bereits dafür ausgesprochen, die Grenze zwischen Mazedonien und Griechenland zu sichern. Entlang der Balkanroute ist die Stimmung von zwei Sorgen geprägt: Zum einen fehlt der Glaube, dass Griechenland tatsächlich in der Lage sein wird, Migranten etwa aus Nordafrika zurückzuhalten, die keinen Anspruch auf internationalen Schutz genießen. Zum anderen herrscht die Furcht, dass Deutschland seine bisherige Politik der offenen Grenzen beenden könnte.

"Die Großzügigkeit Berlins trifft jetzt auf die Realität"

"Wir brauchen eine klare Politik der EU und vor allem Deutschlands", sagte der neue kroatische Außenminister Miro Kovač der Deutschen Presse-Agentur. Solange der Transit der Flüchtlinge auf der Balkanroute funktioniere, werde sich nichts ändern", betonte er.

Erforderlich sei Realismus: "Eines Tages wird Deutschland nicht mehr alle Flüchtlinge aufnehmen. Die Großzügigkeit Berlins trifft jetzt auf die Realität", warnte er. Zwar sei "Kroatien als Transitland von den Empfängerländern" Deutschland und Österreich "abhängig", doch werde es "bestimmt kein Hotspot werden", in dem Tausende Flüchtlinge aufgenommen werden.

In Brüssel ist derweil auch ein Brief des österreichischen Finanzministers Hans-Jörg Schelling mit der Forderung nach 600 Millionen Euro Entschädigung für die Aufnahme von Asylbewerbern eingegangen. "Wir sind immer an Ideen und Vorschlägen interessiert, wenn sie uns helfen können die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen", sagte dazu eine Kommissionssprecherin.

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SZ vom 09.02.2016
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