Süddeutsche Zeitung

Flucht- und Migrationspolitik:Die Kompromisse der Ampel

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Abschiebungen sollen beschleunigt, Einbürgerungen erleichtert werden - aber nicht für jeden: worauf sich die Koalitionsfraktionen geeinigt haben.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Über Monate hat sich die Regierung in Berlin um schärfere Regeln bei Abschiebungen gezankt, aber auch um ein zeitgemäßes Staatsangehörigkeitsrecht. Nun haben sich SPD, Grüne und FDP im Bundestag geeinigt. Am Donnerstag soll das Parlament beide Gesetzesnovellen verabschieden. Bis zuletzt wurden hier noch Änderungen ausgehandelt, die nicht unerheblich sind.

Das "Gesetz zur Verbesserung der Rückführung" soll dafür sorgen, dass abgelehnte und ausreisepflichtige Asylbewerber künftig schneller außer Landes geschafft werden können. Dazu sollen etwa Zutrittsrechte der Polizei bei Abschiebungen erweitert werden, auch auf Nachbarwohnungen. Der Aufenthalt im Ausreisegewahrsam, in dem abgelehnte Asylbewerber festgehalten werden, kann nahezu verdreifacht werden, von zehn auf 28 Tage.

Ein Streitpunkt war bis zuletzt der Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Sie dürfen - jedenfalls im Grundsatz - nicht in Abschiebehaft genommen werden. Allerdings soll es hier in Zukunft Ausnahmen geben. Im Fall "außergewöhnlicher Umstände" sollen Minderjährige in Abschiebegefängnissen inhaftiert werden können, "etwa bei minderjährigen Gefährdern oder Jugendstraftätern", heißt es im Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, der der SZ vorliegt. Welche Straftaten Jugendlicher eine solche Inhaftierung genau begründen, bleibt offen.

Wiederholungstäter sollen härter angepackt werden

Auch erwachsene Wiederholungstäter sollen härter angepackt werden. Wurde ein Asylbewerber binnen eines Jahres "mehrfach" wegen vorsätzlicher Straftaten verurteilt, etwa wegen Diebstahls, Körperverletzung oder Raub, soll dies künftig als "schweres Ausweisungsinteresse" gelten. Er kann dann abgeschoben werden. Auch eine Verurteilung wegen einer antisemitisch, rassistisch, frauenfeindlich oder homophob motivierten Straftat soll als Ausweisungsgrund gelten. Eine Verurteilung zu weniger als 90 Tagessätzen reicht dafür allerdings nicht. Hat ein Asylbewerber in Abschiebehaft keinen Rechtsbeistand, muss "ein anwaltlicher Vertreter verpflichtend durch das Gericht bestellt" werden. Das haben die Grünen durchgesetzt. Allerdings, so heißt es in der SPD, komme dieser Fall nur selten vor.

Für Konflikte sorgte auch das neue Staatsangehörigkeitsrecht. Die Bundesregierung will damit Einbürgerungen erleichtern. Statt erst nach acht Jahren sollen Ausländer schon nach fünf Jahren den deutschen Pass bekommen können, bei besonderen Leistungen auch nach drei Jahren. Der gesetzliche Anspruch auf Einbürgerung allerdings gilt nur für Menschen, die ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschaften können, ohne Sozialleistungen. Das hat die FDP durchgesetzt.

Für Menschen, die ohne eigenes Verschulden nicht voll leistungsfähig sind, etwa Menschen mit Behinderung, bedeutet der Passus eine Verschlechterung. Bisher hatten sie Anspruch auf Einbürgerung nach acht Jahren, wenn alle übrigen Kriterien erfüllt waren. Jetzt bekommen sie den deutschen Pass nur, wenn sie sich als Härtefall bewerben - und nach Ermessen der örtlichen Behörde.

Weil Grüne und SPD dies für Diskriminierung hielten, soll nun noch ein Hinweis ins Staatsangehörigkeitsgesetz. Menschen mit Behinderung, Rentner, Alleinerziehende, pflegende Angehörige kommen demnach für eine "Ermessenseinbürgerung" in Betracht, "wenn sie alles objektiv Mögliche und subjektiv Zumutbare unternommen haben, um ihren Lebensunterhalt dauerhaft zu sichern". Eine Kann-Regelung ist das nur, aber trotzdem ein Gewinn, meint Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. "Wir geben jedem Entscheider an die Hand, wie das Ermessen auszulegen ist." Besondere Härten würde so vermieden.

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