Süddeutsche Zeitung

Festnahme in Bayern:TNT im Kofferraum

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Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo, München

Acht Maschinenpistolen der Marke Kalaschnikow, zwei Pistolen, zwei Handgranaten, ein Revolver, reichlich Munition und 200 Gramm TNT-Sprengstoff. Der aus Montenegro stammende 51 Jahre alte Fahrer des VW-Golf, der am 5. November auf der Autobahn Salzburg-München festgenommen wurde, war ausgerüstet, als wollte er in den Krieg ziehen. Die Waffen befanden sich in Verstecken im Wagen.

Er habe, erklärte er, nicht gewusst, dass er Schießgerät transportiert habe. Er habe sich in Deutschland umschauen und dann nach Frankreich fahren wollen.

Eine Pariser Adresse hatte er im Navigationsgerät gespeichert. Er kam in Untersuchungshaft. Nach den Anschlägen vom Freitagabend erschien das Waffenlager plötzlich in einem ganz neuen Licht. Es gebe die "begründete Annahme", dass der Fall mit den Anschlägen in Paris zusammenhänge, meinte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Beim Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) übernahm der Staatsschutz die Ermittlungen: Paris, Waffen, Sprengstoff - das schien zu passen. Formal war alles gut gelaufen. Am frühen Abend des 5. November, kurz nach der Festnahme, hatte das LKA das Bundeskriminalamt informiert. Wiesbaden schaltete Interpol ein. Die französischen Sicherheitsbehörden wurden alarmiert und Behörden auf dem Balkan um Auskunft gebeten. Der Fahrer ist kein Muslim, er hat offenbar nichts mit der islamistischen Szene zu tun und ist auch polizeilich noch nie aufgefallen. Keine Vorstrafe, kein Eintrag. Dass er nicht nur Schießgerät, sondern auch Sprengstoff dabei hatte, halten Kenner der Szene nicht für ungewöhnlich. Bei Sicherstellungen von Transporten aus dem Balkan würden häufig Handgranaten und Sprengstoff sichergestellt. "Dreckszeug", sagt ein Ermittler, sei "auf der Route häufig unterwegs". Die Spur nach Paris ist derzeit noch sehr unbestimmt.

Terrorismus-Experten verweisen darauf, dass Waffen normalerweise mit anderer Ladung über den Hafen von Marseille ins Land gebracht werden. Warum sollte jemand das Risiko eingehen, über Landesgrenzen hinweg die vielen Waffen zu transportieren? Und für einen Terror-Helfer wäre der 51-Jährige, so erklärt ein IS-Kenner, auch schon ein bisschen alt.

Es gibt aber auch die Meinung, dass da doch mehr dran sein könne. Die Auswertung der Handydaten zeigte, dass er in Frankreich wiederholt angerufen hatte. Aber die Angerufenen sind unverdächtig. Die französischen Behörden haben sich erst am Tag der Anschläge in München gemeldet und da wirkten sie noch recht gelassen . Wenn die Deutschen Rechtshilfe wollten, könne man helfen. Mehr nicht. Experten halten es für möglich, dass der Fahrer mit den sauberen Papieren im Wortsinn nur der "Chauffeur" war. In Paris, das immerhin verriet der 51-Jährige, habe er den Eiffelturm besichtigen wollen.,

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Quelle:
SZ vom 16.11.2015
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