Feminismus:Notorious RBG: Wie eine Richterin zur liberalen Ikone wurde
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Schwärmen junge Feministinnen für Hillary Clinton? Noch nicht wirklich. Gefeiert wird die 82-jährige Richterin Ruth Bader Ginsburg - im Internet und in der Realität.
Von Matthias Kolb, Washington
Ruth Bader Ginsburg ist es gewohnt, Widerstände zu überwinden. Als sie 1956 ihr Jurastudium an der Harvard Law School als eine von neun Frauen beginnt, stellt ihnen der Dekan nur eine Frage: "Warum nehmen Sie einem Mann den Platz weg?" Ginsburg, damals 23, antwortet: "Damit ich meinen Ehemann besser verstehe." Ihr Studium beendet Ginsburg als Jahrgangsbeste - und darf trotzdem nicht zum Supreme Court, weil die Obersten Richter keine Frauen als Assistenten wollen.
Wenn die 82-Jährige heute diese Anekdoten mit trockenem Humor erzählt, dann scheinen diese Zeiten lange vorbei. Denn seit 1993 ist Ruth Bader Ginsburg eine von neun Richtern des Obersten Gerichtshofs in Washington. Weil sie stets für Gleichberechtigung gekämpft hat, wird sie von vielen jungen Frauen verehrt, berichtet Irin Carmon: "Die Leute suchen nach Inspiration und Vorbildern. Richterin Ginsburg hat sich als Anwältin, Aktivistin und Professorin immer für Minderheiten eingesetzt. Bis heute nutzt sie ihre Macht, anderen Frauen zu helfen."
Wie begeistert die MSNBC-Reporterin Carmon von Ginsburg ist, merkt man im Gespräch mit ihr - und an dem Buch, das sie gerade mit Shana Knizhnik über die Richterin veröffentlicht hat. Die Jurastudentin Knizhnik startete aus Frust im Juni 2013 einen Tumblr und nannte ihn "Notorious RBG" - eine Mischung aus dem Kürzel der Richterin und dem Namen des Rappers Biggie Smalls alias Notorious BIG.
Ginsburg wird als liberale Ikone gefeiert - von Amy Schumer und Lena Dunham
Knizhnik war wütend auf die konservative Mehrheit des Gerichts, die gerade eine wichtige Rassismus-Schutzklausel im Wahlrecht gekippt hatte. Doch zugleich war sie begeistert von Ruth Bader Ginsburg, die die Entscheidung in unerhört scharfer Form kritisierte. Der Supreme Court hatte entschieden, dass besonderer Schutz für Afroamerikaner in Texas und anderen Südstaaten nicht mehr nötig sei ( Details hier).
Ginsburg schäumte und schrieb in ihrer Minderheitsmeinung zum Voting Rights Act: "Wenn man dem Argument der Mehrheit folgt, kann man auch mitten in einem Unwetter den Regenschirm wegwerfen, weil man zuvor nicht nass geworden ist." Ihr Argument: Das Gesetz habe vor Diskriminierung geschützt, doch es sei "Hybris" zu denken, dass der Rassismus in der US-Gesellschaft verschwunden sei.
In ihrer Bewunderung war Khnizhnik nicht allein: Tausende Amerikaner posteten per Photoshop bearbeitete Bilder von der heute 82-Jährigen, die sie mit einer Krone zeigten.
Andere posten im Tumblr Fotos von sich, wie sie sich an Halloween als Richterin Ginsburg verkleiden. Mittlerweile gibt es "Notorious RBG"-T-Shirts und Tassen mit Sprüchen wie "You can't spell Truth without Ruth". Manche tragen das Gesicht der Richterin sogar als Tattoo - oder teilen Bilder mit Zitaten der Richterin - und auch Stars wie Lena Dunham und Amy Schumer sind bekennende Fans von "Notorious RBG".
Populär sind auch Bader Ginsburgs Lebensweisheiten für den Alltag. "Manchmal ist es gut, ein bisschen taub zu sein", das ist ihr Geheimnis für eine glückliche Ehe. Irin Carmon findet, dass der Hip-Hop-Name gut zu Ginsburg passt: "Notorious BIG war ein legendärer Rapper, der vor seinem 25. Geburtstag ermordet wurde. Natürlich gibt es viele Unterschiede: Sie ist winzig und weiß, er wog mehr als 150 Kilo und war schwarz. Aber sie kommen beide aus Brooklyn und können gut mit Worten umgehen. Und Hiphop begann ja als Musik derer, die alle ignoriert haben."
In ihrem Buch "Notorious RBG. The Life and Times of Ruth Bader Ginsburg" betonen Carmon und Khiznik, dass die Richterin erst zu Notorious RBG wurde, als die Liberalen ständig im Gericht verloren: "Mit ihrer Scharfzüngigkeit hat sie einen anderen Weg gefunden, um für ihre Anliegen zu kämpfen."
Ruth Bader Ginsburg wird aber auch verehrt, weil sie enorm diszipliniert ist und sich durch nichts abbringen ließ: Als Professorin musste sie ihre Schwangerschaft verbergen, um eine Festanstellung nicht zu gefährden. Für sie gibt es keinen Zweifel: Wenn sich zwei Menschen lieben, dann sollen sie auch heiraten dürfen - unabhängig von ihrem Geschlecht. Sie war 2013 die erste Richterin am Supreme Court, die zwei Schwule zu Eheleuten erklärte.
RBG ist ernannt auf Lebenszeit - und denkt nicht an Rücktritt
Die 82-jährige Opern-Liebhaberin schafft noch heute 20 Liegestützen und verpasst nie ein Training mit ihrem personal coach, wie die jungen Autorinnen im Buch schreiben. Sie denkt noch lange nicht an Ruhestand und das muss sie auch nicht: Sie ist auf Lebenszeit ernannt.
Heute ist sie eine von drei Frauen am Supreme Court und überzeugt, dass nur Richterinnen verhindern können, dass etwa das Recht auf Abtreibung weiter beschnitten wird ( zum Beispiel durch dieses umstrittene Gesetz in Texas). Mit dem Kampf gegen Sexismus kennt sich die Ruth Bader Ginsburg aus - und ihre Fans schreiben darüber sogar kleine Hip-Hop-Songs und drehen passende Videos.
Richterin Ginsburg, die den Trubel um ihre Person amüsant und schmeichelnd findet, will mindestens bis zum Jahr 2017 Teil des Supreme Court bleiben - und hofft, dass im selben Jahr am 20. Januar ein Demokrat Nachfolger von Barack Obama wird. Klare politische Aussagen meiden alle Richter, doch eine Frau als Präsidentin im Weißen Haus - das wäre ganz noch dem Geschmack von Ruth Bader Ginsburg.
Und sollte Hillary Clinton gewählt werden, dann hätte sie die Chance, die US-Gesellschaft auf eine besondere Art zu beeinflussen: Weil neben Ginsburg dann mit Antonin Scalia und Anthony Kennedy zwei weitere der Obersten Richter mindestens 80 Jahre alt sind, könnte sie neue Associate Justices benennen, die eher liberal gesinnt sind. Und welche Macht die neun Juristen ausüben, das zeigt niemand besser als #NotoriousRBG.