Süddeutsche Zeitung

FDP:Zitternd in die Opposition

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Nach langem Bangen wissen die Liberalen: Sie sind wieder drin. Geholfen hat der Promibonus.

Von Anna Günther und Anton Rainer

Die Erlösung für die bayerischen Liberalen kommt erst weit nach Mitternacht: Es reicht also doch. Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis ist die FDP mit 5,1 Prozent der Stimmen nach fünf Jahren Zwangspause wieder im bayerischen Landtag vertreten. Insgesamt bekamen die Liberalen 687 842 Stimmen. Elf Abgeordnete können sich in der neuen Legislaturperiode im Maximilianeum engagieren. Welche elf das sind, wird aber erst am Dienstagabend bekannt sein, wenn auch die Verteilung der Ausgleichs- und Überhangmandate endgültig ist.

Fest steht dagegen bereits, wem die Freien Demokraten den Wiedereinzug verdanken: In Oberbayern schnitt die Partei am besten ab, die stärksten Stimmkreise liegen mit Starnberg, Bogenhausen, München-Land-Süd und Schwabing alle in und um München. Fünf von 205 Sitzen im bisher größten Plenum der Nachkriegszeit bekommen die Oberbayern der FDP, die anderen sechs Wahlkreise jeweils einen. Wahrscheinlich ziehen Spitzenkandidat Martin Hagen und Ex-Landeschef Albert Duin in den Landtag ein. Beim früheren Wissenschafts- und Kunstminister Wolfgang Heubisch, 72, ist das sogar recht sicher. Mit 12,9 Prozent der Erststimmen ist er landesweit Stimmenkönig. Im neu angelegten Stimmkreis München-Schwabing wählten 12,6 Prozent die FDP - das ist mit 4,3 Prozentpunkten der größte Zuwachs. Die Neuordnung der Stimmkreise ließ vermuten, dass von der Ausdehnung Schwabings die CSU profitiert. Aber auch dieser Bezirk ging am Sonntag klar an die Grünen. Damit verlor Ludwig Spaenle (CSU) den Kampf der Bildungspolitiker an den FDP-Mann Heubisch und sein Direktmandat an die Grünen. Und das, nachdem Ministerpräsident Markus Söder seinem langjährigen Freund Spaenle im Frühjahr schon das Superministerium (Schule, Wissenschaft, Kunst, Kultus) weggenommen hatte.

Mit Helmut Markwort und Wolfgang Heubisch ist diese Wahl auch eine Personenwahl

Das zweitbeste Ergebnis erlangt Helmut Markwort, 81, im Stimmkreis München-Land-Süd. Der Ex-Chef des Focus kommt auf 10,3 Prozent der Erststimmen. Im Süden Münchens wohnen viele Besserverdiener. Entsprechend hat die FDP in Markworts Stimmkreis insgesamt 9,6 Prozent, in Starnberg 9,4 Prozent. In München-Bogenhausen erzielt die FDP 9,7 Prozent. Genauso hoch ist die Quote der Münchner Stadträtin Gabriele Neff dort bei den Erststimmen. Andere Wahlkreise bestätigen der Trend: In den Städten ist die FDP stark, auf dem Land nicht so sehr. In Würzburg, Aschaffenburg und Nürnberg kommt die Partei auf gut sechs Prozent, in Erlangen, Augsburg und Neu-Ulm auf mehr als fünf und in Regensburg, Augsburg sowie Bamberg auf knapp fünf Prozent.

Das beste Ergebnis außerhalb Oberbayerns bestätigt die These der Landtagswahl als Personenwahl: Im Bayerischen Wald schneidet Alexander Muthmann mit 8,6 Prozent der Erststimmen und insgesamt 7,3 Prozent der Stimmen besser ab als die meisten Liberalen außerhalb Oberbayerns. Die Leute kennen ihn. Muthmann war bis 2017 Mitglied der Freien Wähler, Vizechef der Fraktion sowie des Wirtschaftsausschusses im Landtag, einst Landrat und Chef des FW-Kreisverbandes. Im Oktober 2017 wurde er dann FDP-Mitglied.

"Frische für Bayern", das Wahlkampf-Motto von Spitzenkandidat Martin Hagen, 37, und Landeschef Daniel Föst, 42, kam wohl bei deren Wählern an. Interessanterweise machen zwar laut der Forschungsgruppe Wahlen die 18- bis 29-Jährigen die stärkste Wählergruppe der Liberalen aus - die besten Ergebnisse erzielten dennoch die ältesten Kandidaten. Offensichtlich griff der Promibonus: Ex-Kunstminister Heubisch ist in München bekannt, Markwort saß jede Woche im Bayerischen Fernsehen, bis er seiner Kandidatur zuliebe den "Sonntagstammtisch" aufgeben musste. Die Liberalen punkten auch diesmal eher bei Männern als bei Frauen und öfter bei Selbstständigen sowie Hochschulabsolventen als bei Angestellten und Wählern, die nur eine Mittelschule besucht haben.

Dass die FDP wohl in die Opposition geht, stößt 35 Prozent der bayerischen Wähler sauer auf. Sie sagten Infratest dimap, dass sie es "gut fänden", wenn die Liberalen "in Bayern an der Regierung beteiligt" wären. Davon war auch die FDP bis Sonntagabend ausgegangen, doch schon nach den ersten Hochrechnungen fürchtete manch Liberaler auf der Wahlparty, wegen des guten Ergebnisses der Freien Wähler für eine Koalition nicht gebraucht zu werden. Am Montag sagte Hagen dann in Berlin: "Der Wähler hat der FDP einen Oppositionsauftrag gegeben." Die Schuldfrage wollte offiziell niemand stellen, aber auch die Liberalen blicken nach Berlin. Es sei nicht gelungen, den Rückzug aus den Jamaika-Verhandlungen im Bund gut genug zu erklären, räumte Landeschef Föst ein.

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SZ vom 16.10.2018
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