Süddeutsche Zeitung

Ex-Diktator offenbar in Sirte getötet:Libyen feiert Gaddafis Tod

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Jubel, Tanz und Freudenschüsse: Tausende Menschen gehen in Libyen auf die Straße, um das Ende von Muammar al-Gaddafi und seiner Schreckensherrschaft zu feiern. Europäische Politiker hoffen jetzt auf einen "breit angelegten Prozess der Aussöhnung".

Freudetrunken strömten sie in Tripolis, in Bengasi und in anderen Städten Libyens auf die Straßen und Plätze. "Es stimmt wirklich, ja, er ist tot, es stimmt wirklich, alle sind auf der Straße, alle feiern", jubelte Mohammed al-Ghannai, ein Mitglied des Kommandos der Revolutionsarmee in West-Tripolis.

Die Nachricht von der Tötung des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi verbreitete sich am Donnerstag wie ein Lauffeuer im ganzen Land. "Wir haben lange auf diesen Moment gewartet", sagte Mahmud Dschibril, der Chef der libyschen Übergangsregierung, als er in Tripolis Gaddafis Tod bestätigte. Jetzt sei es an der Zeit, ein neues, einiges Libyen zu schaffen.

"Gott ist groß! Gott ist groß!", riefen die Milizionäre immer wieder, andere tanzten und sangen. In Sirte, wo Gaddafi getötet wurde und wo die Ex-Rebellen am selben Tag die letzten Widerstandsnester der Pro-Gaddafi-Kämpfer niedergerungen hatten, verbrannten sie die letzten grünen Fahnen des Gaddafi-Staates und zerrissen die letzten Bilder des Diktators.

Zuvor hatte Informationsminister Mahmud Shamman erklärt, Gaddafi sei bei den Kämpfen in seiner Geburtsstadt Sirte ums Leben gekommen. Dabei berief er sich auf Kämpfer, die den Leichnam gesehen hätten. Ein Augenzeuge sagte dem Nachrichtensender al-Arabija, der Leichnam Gaddafis sei in das Viertel Souk al-Tawansa in Misrata gebracht worden. Der Augenzeuge sagte, die Leiche des Tyrannen sei nicht verstümmelt.

Ein Arzt im Krankenhaus von Misrata bestätigte inzwischen, dass Gaddafi durch Schussverletzungen um Leben gekommen ist. Er sei am Kopf und am Bauch von Schüssen getroffen worden, sagte der Arzt dem Nachrichtensender al-Dschasira. Der Sender strahlte außerdem ein Video aus, auf dem ein toter oder schwer verletzter Mann mit einer Kopfwunde zu sehen war, der dem Diktator ähnlich sieht. Die Süddeutsche Zeitung hat sich dagegen entschieden, die mutmaßlichen Todesbilder zu dokumentieren.

Auch der Tod von Gaddafis Söhnen Saif al-Islam und Mutassim wurde inzwischen bestätigt. Die Leichname der beiden Männer seien in das Krankenhaus von Misrata gebracht worden, berichtete das offizielle libysche Fernsehen.

US-Präsident Barack Obama hat den Tod des Ex-Diktators als "Ende eines langen und schmerzhaften Kapitels" bezeichnet. Das libysche Volk habe nun die Chance, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, sagte Obama. Die Libyer hätten aber auch eine "große Verantwortung", eine Regierung zu schaffen, die alle gesellschaftlichen Gruppen einschließe.

"Dieser Tag setzt einen Schlusspunkt unter das Regime Gaddafi, es ist ein wichtiger Tag für die Libyer", erklärte Kanzlerin Merkel (CDU). Libyen müsse nun zügig weitere Schritte in Richtung Demokratie gehen und die bisherigen Errungenschaften des Arabischen Frühlings unumkehrbar machen. Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hofft nun auf einen demokratischen Wandel in dem nordafrikanischen Land. Der FDP-Politiker äußerte die Erwartung, "dass die Menschen in Libyen nach Jahrzehnten der Diktatur ein neues demokratisches Kapitel aufschlagen können".

Die Europäische Union sieht nun "ein Ende der Ära von Gewaltherrschaft und Unterdrückung, unter der das libysche Volk zu lange gelitten hat". Die EU-Spitze forderte den Nationalen Übergangsrat Libyens auf, einen "breit angelegten Prozess der Aussöhnung" einzuleiten. Dieser müsse sich an alle Libyer richten und einen "demokratischen, friedlichen und transparenten Übergang im Land ermöglichen".

Die Arabische Liga kündigte an, den Libyern beim Aufbau eines demokratischen Staates zur Seite stehen. Der Generalsekretär der Liga, der Ägypter Nabil al-Arabi, sagte, er sei froh, dass in der libyschen Geschichte nun eine neue Seite aufgeschlagen worden sei. Er lobte die "Tapferkeit" der Libyer, die für ein Leben in Freiheit und Würde große Opfer gebracht hätten. Die irakische Regierung unter Ministerpräsident Nuri al-Maliki gratulierte Libyen zum Ende von Gaddafi gratuliert. Die Ereignisse in Libyen wie im Irak seien "ein Beweis dafür, dass Völker ihre Tyrannen bezwingen und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können"

Der Einsatz der Nato-Truppen in Libyen soll nun rasch beendet werden. "Die Nato und unsere Partner haben das historische Mandat des UN-Sicherheitsrates zum Schutz der libyschen Bevölkerung erfolgreich umgesetzt", sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Auch US-Präsident Obama lobte den Einsatz als Erfolg. Bei einer Sondersitzung des Nato-Rates am Freitag soll voraussichtlich das Ende des Einsatzes beschlossen werden, hieß es aus Diplomatenkreisen.

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dpa/Reuters/AFP
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