Süddeutsche Zeitung

Europa:Unter dem Radar

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Immer mehr Venezolaner beantragen Asyl. Nun will die EU den Exilanten aus dem krisengeplagten südamerikanischen Land helfen.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Egal ob Seenotrettung, Dublin-Reform oder die Zukunft des EU-Türkei-Abkommens: Migration ist in Brüssel nach wie vor eines der beherrschenden Themen. Die Migrationskrise in Südamerika dagegen wird auf Brüsseler Korridoren nur selten diskutiert, dabei betrifft sie die EU längst nicht mehr nur als humanitäre Herausforderung: Venezuela liegt inzwischen auf Platz drei der häufigsten Herkunftsländer von Asylbewerbern in der EU, mehr Asylsuchende kommen nur aus Syrien und Afghanistan. "Diese Krise bekommt in Europa immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit", sagt ein hochrangiger EU-Beamter.

4,5 Millionen Menschen haben das südamerikanische Land verlassen

Um das zu ändern, sind am Montag in Brüssel Vertreter südamerikanischer Staaten sowie der Europäischen Union zusammengekommen. Auf einer von der EU und den Vereinten Nationen organisierten Solidaritätskonferenz wolle man "das Bewusstsein für die Schwere dieser Krise schärfen", sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini vorab.

Seit drei Jahren erlebt Venezuela wegen der anhaltenden politischen Krise und Versorgungsschwierigkeiten eine Massenflucht. 4,5 Millionen Venezolaner haben ihre Heimat bereits verlassen; Experten fürchten, dass die Zahlen weiter steigen werden und möglicherweise noch jene der aus Syrien geflohenen Menschen übertreffen könnten. "Venezuela hat sich zu einer gewaltigen humanitären und politischen Krise ausgewachsen", sagte Christos Stylianides, EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, am Montag zu Beginn der Konferenz. Am Abend wurden in Brüssel auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Generaldirektor der Internationalen Organisation für Migration (IOM) erwartet.

Obwohl beinahe 85 Prozent der geflohenen Venezolaner in der Region geblieben sind, sei die Aufnahmebereitschaft der Nachbarländer bis jetzt groß, sagte der Sondergesandte von UNHCR und IOM, Eduardo Stein in Brüssel. Aber der Druck auf die Sozialsysteme der Nachbarländer nehme zu, und in der letzten Zeit sei es vermehrt zu fremdenfeindlichen Vorfällen gekommen. Ein Ziel der Konferenz sei es darum, den Nachbarländern Venezuelas zu zeigen, dass man sie nicht alleine lassen werde. "Jetzt ist der Zeitpunkt, für noch mehr Unterstützung für venezolanische Flüchtlinge, Migranten und die Nachbarländer zu werben", sagte EU-Außenbeauftragte Mogherini. Schon jetzt sei die EU der wichtigste Geldgeber: Seit 2018 habe man bereits mehr als 170 Millionen Euro bereitgestellt.

Die Auswirkungen der Krise in Venezuela werden auch in der EU immer deutlicher: 2019 haben bis einschließlich August schon mehr Venezolaner in der EU Asyl beantragt, als im ganzen Jahr 2018. Allein im August waren es beinahe 3000 Neubewerbungen, vor allem in Spanien, aber auch in Italien und Portugal. Weil Venezolaner ohne Visum in das Schengen-Gebiet einreisen dürfen, ist es für wohlhabende Menschen von dort relativ leicht, die EU zu erreichen.

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Quelle:
SZ vom 29.10.2019
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