Süddeutsche Zeitung

EU-Politik:Trumps früherer Chef-Ideologe will die Europawahl beeinflussen

Lesezeit: 3 min

Von Daniel Brössler, Brüssel

Seit der Ankündigung des einstigen Chefstrategen von US-Präsident Donald Trump, Stephen Bannon, sich in die nächste Europawahl einmischen zu wollen, stellen sich für Guy Verhofstadt ein paar Fragen. Etwa: "Wie viel Geld und Unterstützung aus Russland ist diesmal dabei?" Oder: "Wie viele unserer persönlichen Facebook-Daten werden diesmal manipuliert?"

Und was, ironisiert der Chef der Liberalen im EU-Parlament auf seiner Facebook-Seite, werden wohl der Pole Jarosław Kaczyński und der Ungar Viktor Orbán zu dieser "ausländischen Intervention" sagen? Egal, meint der Belgier. Denn in jedem Fall gelte: #BanBannon.

Wirkliche Unruhe hat die Ankündigung des amerikanischen "Hasspredigers", wie Verhofstadt ihn nennt, in Brüssel aber nicht ausgelöst. Die EU, von Trump mittlerweile offen als "Feind" eingestuft, gibt sich gelassen. "Wir nehmen das zur Kenntnis", bemerkte der Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker trocken.

Die Vorstellung, Bannon könne mit einem Zehn-Mann-Büro in Brüssel eine rechtspopulistische "Bewegung" formen, die die Machtverhältnisse in der EU auf den Kopf stellt, hält Roland Freudenstein, Politischer Direktor der christdemokratischen Denkfabrik Martens Centre für abwegig. Bannons intellektuelle Fähigkeiten würden "überschätzt". Hinzu komme: "Er hat keine Ahnung von Europa."

Zwar hat Bannon einem Bericht der US-Webseite Daily Beast zufolge zuletzt in London Hof gehalten und Rechte aus verschiedenen Winkeln Europas empfangen. Intime Kenntnisse der rechtspopulistischen Szene hier scheint er aber bislang nicht erworben zu haben. Er sei verblüfft, zitiert ihn Daily Beast, dass die Rechtspopulisten Fähigkeiten und Ideen in Europa nicht länderübergreifend austauschten. In der Tat tun sie das schon seit vielen Jahren.

151 Rechtspopulisten verteilen sich auf drei Fraktionen

Mit viel Tamtam hatten etwa im Januar 2017 in Koblenz die Französin Marine Le Pen, der Italiener Matteo Salvini, der Niederländer Geert Wilders, der Österreicher Harald Vilimsky und viele weitere sich um die damalige AfD-Chefin Frauke Petry geschart. Auf die Idee, sich zu sammeln, sind Europas Nationalisten auch ohne Bannon schon gekommen. Allerdings hatte das stets jene Grenzen, die einer nationalistischen Internationalen logischerweise gesetzt sind. Im EU-Parlament verteilen sich die Rechtspopulisten bislang auf drei Fraktionen mit 151 Mitgliedern - und da sind Orbáns immer noch in der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) gebundene Fidesz-Leute und etliche Fraktionslose noch nicht einmal mitgezählt. Dieser Zersplitterung sei geschuldet, argumentiert Freudenstein, dass die Rechten in der zu Ende gehenden Legislaturperiode "praktisch nichts erreicht" hätten.

Allerdings gilt nach den Erfolgen der AfD in Deutschland oder der Lega in Italien und auch angesichts des Umfragehochs von Parteien wie der Schwedendemokraten ein kräftiger Zuwachs der EU-Feinde bei der Europawahl im Frühjahr als fast schon sicher - und das obwohl das Lager mit dem Brexit seinen bislang solidesten Block verliert. Der Austritt Großbritanniens zwingt die EU-Skeptiker und EU-Gegner, sich neu zu sortieren. So verlieren die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) - bislang drittstärkste Fraktion - mit den Tories ihre größte nationale Gruppe.

Das gilt auch für die Fraktion "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie", in der sich die britische Unabhängigkeitspartei (Ukip) zusammengetan hat mit den Fünf Sternen aus Italien. Fraktionsstärke erlangt nur, wer Abgeordnete aus einem Viertel der EU-Staaten versammelt. Auch daraus ergibt sich - ganz ohne Bannons Nachhilfe - Druck auf die Populisten, ihre Kräfte zu bündeln.

Ihr kleinster gemeinsamer Nenner, die Abneigung gegen die EU und gegen jedwede Zuwanderung, könnte dabei völlig genügen, um im künftigen EU-Parlament die Geschicke zu beeinflussen. Dann nämlich, wenn es den demokratischen Pro-EU-Parteien künftig schwerer fallen sollte, Mehrheiten zu organisieren. Bislang gelingt das der derzeit und wohl auch künftig stärksten Fraktion, der EVP, noch relativ leicht. Zwar ist die informelle große Koalition mit den Sozialdemokraten seit dem Weggang von Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) Geschichte. Doch mit wechselnden Mehrheiten ist das EU-Parlament bislang stets handlungsfähig geblieben.

Schon bei der Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten wird sich zeigen, ob das noch gilt. Den siegreichen EVP-Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker hatten die Abgeordneten 2014 mit nicht eben überragenden 422 von 751 Stimmen zum Kommissionspräsidenten gewählt. Leichter, so viel scheint schon jetzt klar zu sein, wird es das nächste Mal nicht.

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Quelle:
SZ vom 24.07.2018
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