Süddeutsche Zeitung

Essen:Bei Anruf koscher

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Die jüdische Küche kommt in den Arabischen Emiraten an.

Von Dunja Ramadan

Wer in Dubai vor einem leeren Kühlschrank steht, hat die Qual der Wahl. Die örtlichen Lieferdienste offenbaren ein kulinarisches Universum jenseits von Pizza, Burger oder Chicken Tikka. Vielmehr locken hawaiianische Fischsalat-Bowls, Cookies mit Marshmallow-Topping oder Wassermelonen-Detox-Smoothies. Und mittlerweile kommen auch jüdische Feinschmecker in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf ihre Kosten: "Elli's Kosher Kitchen" bietet koschere Speisen an - eine Premiere in der arabischen Welt.

Gegründet hat den Cateringservice Elli Kriel, eine Soziologin aus Südafrika, die seit 2013 in Dubai lebt. Inoffiziell versorgte die dreifache Mutter jüdische Besucher aus den USA und Frankreich schon seit Jahren mit koscherem Essen. Die jüdischen Speisevorschriften, die sogenannten Kaschrut, sehen etwa vor, dass Milch- und Fleischprodukten nicht gemeinsam verzehrt werden. Eine Pizza Salami oder ein Schnitzel mit Sahnesoße sind demnach nicht koscher.

Als der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Khalifa bin Zayed, 2019 zum Jahr der Toleranz erklärte und viele jüdische Geistliche anlässlich der Feierlichkeiten ins Land kamen, bemerkte Kriel eine erhöhte Nachfrage - und startete daraufhin im Februar 2019 "Kosherati": eine Verschmelzung von Kosher und Emirati. 16 Monate später ist ihr Bringdienst in aller Munde, Medien in Israel wie in den Emiraten berichten über Kriels Küche.

Auch abseits des Essens erfreut sich jüdisches Leben in dem Golfemirat seit einigen Jahren einer Renaissance: Vor einem Jahr trat Yehuda Sarna, Kaplan der Universität von New York, seine Position als erster Rabbiner der jüdischen Gemeinschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten an. Auch das milliardenschwere Abrahamitische Haus der Brüderlichkeit in Abu Dhabi, das aus einer Kirche, einer Moschee und einer Synagoge bestehen soll, wird wohl 2022 eingeweiht. Bislang beten die etwa 150 jüdischen Familien in den Emiraten in einer unscheinbaren Villa in einem Dubaier Nobelviertel.

Seit einigen Jahren inszenieren sich die Herrscher am Golf als tolerantes, aufgeschlossenes Land. Im vergangenen Jahr besuchte erstmals ein Papst die arabische Halbinsel. Kritik ist in der autokratisch geführten Golfmonarchie aber weiterhin nicht gerne gesehen.

Während der Corona-Krise konnte Kriel neue Kunden für ihr Essen gewinnen, erzählte sie der emiratischen Nachrichtenseite Al Arabiya. Während kaum noch jüdische Touristen oder Geschäftsleute ins Land kamen, begeisterten sich immer mehr Expats und Emiratis für ihre Küche. Das Interesse an koscherer Küche liegt wohl einerseits an den vielen Gemeinsamkeiten von jüdischen und islamischen Speisevorschriften, wie etwa das rituelle Schlachten von Tieren oder das Verbot von Schweinefleisch. Doch es sind auch Kriels einfallsreiche Rezepte, die die Emiratis überzeugen. Auf Twitter und Instagram kombiniert sie koschere Küche mit lokalen Aromen, wie etwa den Baklawa-Käsekuchen. Und im muslimischen Fastenmonat bot sie sogar regionale Ramadanmenüs an. Unter ihren Fans sind auch Politiker, so feiert Noura Al Kaabi, die emiratische Kulturministerin, koschere Küche auf Twitter.

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SZ vom 08.06.2020
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