Süddeutsche Zeitung

Energie:Sonnenwende

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Solarworld ist pleite und es ist eine traurige Ironie, dass die deutsche Industrie vom Siegeszug der Sonnenenergie nun so gar nichts hat. Denn ohne Solarworld und die anderen Firmen wären die Solarmodule erst gar nicht so billig geworden. Jetzt frisst auch diese Revolution ihre Anführer.

Von Michael Bauchmüller

Gesiegt hat Frank Asbeck. Gesiegt, gesiegt, gesiegt. Der Gründer des Bonner Konzerns Solarworld zählte zu denen, die erst die Sonnenenergie nach Deutschland brachten. Er hat mit Erfolg darauf hingearbeitet, dass die Politik die Module förderte, und zwar mehr als genug. Sogar Schutzzölle hat er erreicht, gegen die übermächtige Konkurrenz aus China. Frank Asbeck hat solange gesiegt, bis sein Unternehmen pleite war. Diese Woche hat Solarworld Insolvenz angemeldet. Das Unternehmen war vor lauter politischem Erfolg vom Vorreiter zum Dinosaurier geworden. Der Wandel war zu schnell.

Stimmt: Das hat viel mit dem Wettbewerb aus China zu tun. Die Preise für Solarzellen sind in den letzten Jahren in einem Maße verfallen, wie es keiner erwartet hat. Der sinkende Preis, nicht die staatliche Förderung, hat den Modulen letztlich zum globalen Durchbruch verholfen. Nur kann Solarworld daran nicht mehr teilhaben. Solarzellen zu fertigen, ist kein Zauberwerk. Wenn andere das günstiger können, helfen auch die höchsten Zölle nicht. Sie verzögern allenfalls die Entwicklung. Aufhalten können sie sie nicht.

Es ist eine traurige Ironie, dass die deutsche Industrie vom Siegeszug nun so gar nichts hat. Denn wenn Sonnenstrom derart günstig wird, dann verändert das den ganzen Markt. Jahrelang schielten Zahnärzte am Starnberger See vor allem auf die Rendite. Sie pflanzten Modul um Modul aufs Dach und zählten an sonnigen Tagen die Kilowattstunden, die sie zu gesetzlich fixierten Tarifen ins Stromnetz einspeisen konnten. Die restlichen Stromkunden bezahlten das. Nicht nur für Solarworld, auch für Hunderttausende betuchte Hausbesitzer wurde die Energiewende zum Geschäftsmodell auf Kosten anderer. Dieser Erfolg wurde so teuer, dass die Förderung irgendwann massiv zusammengestrichen wurde. Es war das Ende des ersten Booms - aber der Anfang der Wende.

Denn seitdem auch die Preise der Solarmodule fallen, rollt der Rubel anders. Wer sich heute eine Solarzelle zulegt, der macht das beste Geschäft, wenn er den Strom gleich selbst verbraucht. Er bekommt ihn nämlich vom Dach inzwischen billiger als vom Stadtwerk. Wer die Energie von zu Hause noch ins Stromnetz einspeist, macht so gesehen Verlust. Das aber stellt die Energiewende vom Kopf auf die Füße: Plötzlich lohnt es sich, auch eine Batterie anzuschaffen - damit lässt sich der eigene Strom selbst dann verbrauchen, wenn die Sonne mal wieder nicht scheint. Das wiederum nutzt dem ganzen System: Es ist viel stabiler, wenn nicht Millionen Haushalte auf Teufel komm raus ihren Sonnenstrom einspeisen. Die größten Rechnungen aber stellen nun Handwerker, nicht die Hersteller von Modulen.

Das Ende von Solarworld markiert auch das Ende der alten Solarwelt. Nicht mehr die Politik treibt diese Form der Energiewende, sondern die Verbraucher; die nötige Hardware gibt es zur Not auch im Baumarkt. Nur kommt sie eben nicht mehr aus Deutschland, sondern aus Fernost. So, wie Anzüge in Vietnam gefertigt werden und Babypuppen in Indien. Sollte dahinter, wie Asbeck vermutet, tatsächlich chinesisches Preisdumping stecken, dann gebührt Peking ein herzliches Dankeschön. Die Preise dürfen auch gerne noch weiter fallen. Das Klima freut sich.

Eines allerdings darf man nicht vergessen: Ohne Pioniere wie Asbeck, ohne die Solarworlds, Q-Cells, Ersols, Solons und all die anderen deutschen Solarfirmen gäbe es diesen Markt heute so nicht; müssten auch jene Länder auf billige Module verzichten, in denen es zwar viel Sonne, aber wenig Strom gibt. So gesehen bitter, dass andere die Früchte nun ernten.

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Quelle:
SZ vom 13.05.2017
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