Süddeutsche Zeitung

Neue Einreiseregeln:Erst Schleichfahrt, dann Vollgas

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Wie Horst Seehofer und Jens Spahn darum kämpfen, ihre eigenen Versäumnisse wettzumachen

Von Nico Fried, Berlin

Am 1. Juli setzten sich Jens Spahn und Horst Seehofer gemeinsam vor die Presse und verkündeten die Einreiseverordnung für die Urlaubszeit im zweiten Jahr der Pandemie. In den ersten Bundesländern hatten eben die Sommerferien begonnen. 252 neue Corona-Fälle meldeten die Gesundheitsämter an jenem Tag - bundesweit. Der Anteil der Infektionen, die ihren Ursprung im Ausland hatten, lag damals bei etwa zwei Prozent. Man lege nun eine "vergleichsweise strikte" Einreiseverordnung vor, so verkündete der Gesundheitsminister, um diese niedrige Quote zu erhalten.

Auf den Tag genau einen Monat später ist klar: Das Vorhaben ist gescheitert, die Regelung war offenkundig nicht strikt genug. Nicht nur haben sich die Infektionszahlen binnen eines Monats wieder fast verzehnfacht. Nach letzten Berechnungen hat sich auch der Anteil der Ansteckungen im Ausland in etwa verfünffacht. Jeder zehnte Corona-Fall, so zuletzt die gängige Annahme, sei quasi importiert. Damit sind zwar die Höchstwerte aus dem vergangenen Jahr, die bei fast 50 Prozent gelegen haben sollen, noch nicht erreicht, aber die Tendenz ist eindeutig.

Was die Kontrollen angeht, verspricht der Innenminister die Quadratur des Kreises

Spahn und Seehofer inszenierten sich zwar in den vergangenen Tagen innerhalb der Bundesregierung als die Antreiber bei einer Verschärfung der Einreiseverordnung - allerdings mussten sie damit vor allem die eigenen Versäumnisse zu Anfang des Sommers korrigieren. Seit Sonntag gilt nun eine deutlich verschärfte Einreiseverordnung. Der wichtigste Unterschied: Bisher mussten vor allem Flugpassagiere einen negativen Corona-Test vorlegen können. Mittlerweile gilt das für alle Einreisenden, insbesondere auch für Touristen, die mit dem Auto oder der Bahn unterwegs sind.

Was die dafür notwendigen verschärften Kontrollen an Autobahnen und anderen Fernstraßen sowie in Zügen angeht, versprach der Innenminister quasi die Quadratur des Kreises: Einerseits solle die Einhaltung der Vorschriften durch Stichproben stärker überprüft werden, andererseits solle der Reiseverkehr nicht völlig zum Erliegen kommen, kündigte Seehofer an.

Tatsächlich setzen die Bundesregierung und die Länder, aus denen praktisch ausnahmslos Zustimmung für die Verschärfung signalisiert wurde, vor allem auf Abschreckung: Bußgelder von bis zu 25 000 Euro können die Gesundheitsämter verhängen. Das ist die gleiche Summe, die dem vor einigen Wochen mit Corona infizierten Seehofer damals von den Behörden seiner Heimat Ingolstadt angedroht wurde, sollte er gegen die ihm vorgeschriebene Quarantäne verstoßen.

Doch es bleiben Fragen offen - und zwar umso dringlicher, je besser es gelingt, die Kontrollen zu intensivieren. Denn je mehr Verstöße gegen die Testpflicht festgestellt werden sollten, desto mehr Arbeit kommt auch wieder auf die Gesundheitsämter zu. Ihnen werden die Fälle von der Bundespolizei oder anderen Polizeibehörden zur weiteren Bearbeitung übergeben. So ginge mit den generell steigenden Infektionszahlen für die Gesundheitsämter noch eine Zusatzbelastung durch die Testpflicht für Einreisende einher.

Außerdem muss sich erst noch zeigen, wie gerichtsfest die Testpflicht ist. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat die Verschärfung der Einreiseverordnung nur widerwillig akzeptiert. Sie hätte lieber eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes durch den Bundestag gesehen, um die Rechtsgrundlage abzusichern. Doch so viel Zeit wollten Gesundheits- und Innenministerium nicht mehr verlieren.

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