Süddeutsche Zeitung

Ehemaliger V-Mann im NSU-Prozess:"Zschäpe ist keine dumme Hausfrau"

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Tino Brandt kannte sie alle: Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Er gab Geld für die rechte Szene und erzählte dem Verfassungsschutz, was er erfuhr. Nun sagt er im NSU-Prozess aus - und singt ein Loblied auf die Hauptangeklagte.

Aus dem Gericht berichten Annette Ramelsberger und Tanjev Schultz

Tino Brandt kannte sie alle: Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe. Die ganze rechtsradikale Kameradschaft aus Jena. Wie die Spinne im Netz saß dieser Mann in der Szene, gab Geld, das er genügend hatte, warb Leute an für seinen Thüringer Heimatschutz. Und berichtete nebenbei dem Verfassungsschutz, was er erfuhr.

An diesem Dienstag sitzt Tino Brandt, 39, im Oberlandesgericht München. Drei Tage lang soll er berichten über seine alten Freunde. Und befreundet, so sagt er, war er mit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe. Auch wenn ihn Zschäpe von der Anklagebank aus nur missbilligend betrachtet, keine drei Meter von ihm entfernt. Sie verzieht kaum die Mundwinkel, wenn der alte Kamerad und Spitzel über sie spricht.

Dabei singt er ihr ein Loblied, zumindest stellt man sich Lob in rechtradikalen Kreisen wohl so vor. Bei Rechtsschulungen und wenn es ums Germanentum ging, da habe Beate Zschäpe einiges gewusst, sagt Brandt. "Zschäpe ist keine dumme Hausfrau." Die Hauptangeklagte schaut demonstrativ weg.

Sie sei auch beteiligt gewesen an politischen Aktionen. Bei politischen Diskusionen sei sie zwar zurückhaltend gewesen, aber "sie stand nicht in der Ecke und hat Trübsal geblasen", sagt Brandt. "Ein Mädchen, das in Ordnung war", fasst er zusammen. Brandt selbst ist für Zschäpe wohl alles andere als in Ordnung. Als im Jahr 2001 herauskam, dass er jahrelang als Spitzel für den Thüringer Verfassungsschutz die Szene ausgehorcht hatte, ließen ihn seine alten Freunde fallen.

Brandt sitzt seit einigen Wochen in Untersuchungshaft

Vor wenigen Wochen wurde er in Untersuchungshaft genommen. Ihm wird vorgeworfen, Minderjährige missbraucht und an Freier vermittelt zu haben. Nun steht er hier seinen alten Freunden gegenüber, die immer wieder "Todesstrafe für Kinderschänder" gefordert hatten. Die fünf Angeklagten auf der Bank strafen ihn mit Desinteresse. Unklar war lange, ob Brandt überhaupt redet. Aber nun redet er. Und er weiß viel.

Da sitzt dieser sehr stämmige, kurzgeschorene Mann, eine Nickelbrille auf der Nase, ganz in Schwarz. Der 39-Jährige ist aus der Untersuchungshaft vorgeführt worden. Und klagt nun, dass durch seine Arbeit für den Verfassungsschutz sein "ganzes Leben, alles" in die Brüche ging. Dabei hatte er doch seinen Spitzellohn zum großen Teil in den Aufbau der Szene gesteckt und am Ende sogar mit diesem Steuergeld vom Verfassungsschutz den untergetauchten NSU unterstützt - mit bis zu 3000 Mark. Das Geld war gedacht zur Beschaffung von Pässen für die drei. Brandt hat auch mit Böhnhardt am Telefon gesprochen, als Geld, das die Szene gesammelt hatte, nicht vollständig beim Trio ankam.

Und er weiß doch noch einiges über seine alten Freunde. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gehörten zur Jenaer Kameradschaft. Die fühlte sich besonders elitär, schottete sich ab und wollte nur weltanschaulich gefestigte Leute in ihren Reihen haben. Was weltanschaulilch gefestigt bedeutet, erklärt Brandt auch: "Die meisten der Älteren bei uns haben die DDR erlebt, wir wussten, dass das nicht das ist, was wir wollten. Wir haben dann die BRD erlebt und mussten feststellen, dass da kaum große Unterschiede sind bei Zensur und Unterdrückung."

"Sie lagen nicht Arm in Arm in der Ecke"

"Was meinen Sie damit?" fragt der Richter. "Die BRD war nicht das, was ich mir vorgestellt habe." Richter: "Haben Sie heute eine andere Meinung?" Brandt: "Es ist nach wie vor nicht der freieste Rechtsstaat auf deutschem Boden." Vor allem störe ihn, dass die Auschwitzlüge verboten ist.

Und wie dachten damals Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt? "Ich gehe davon aus, dass sie der gleichen Meinung waren wie ich", sagt Brandt. Mundlos habe sich als nationaler Sozialist gegeben, sich Bücher über die Waffen-SS und Rudolf Heß bestellt. Uwe Böhnhardt sei mit uniformähnlicher Kleidung mit Koppel und Schulterriegel herumgelaufen und habe sich mit "extrem militanten Leuten" zusammengetan.

Beate Zschäpe sei ihm nicht wegen besonderer Radikalität aufgefallen, sie habe sich nicht gekleidet wie eine Nazibraut, sagt er. Und er hatte den Eindruck, Zschäpe habe immer zwischen den beiden Uwes gewechselt. Aber, betont Brandt nun vor Gericht: "Sie lagen nicht Arm in Arm in der Ecke. Sie kamen als Gruppe, Händchen halten hat man da niemand gesehen."

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