Süddeutsche Zeitung

USA:Donald Trump schweißt seine Kritiker zusammen

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Eine überparteiliche Gruppe von Senatoren arbeitet an einer Wahlrechtsreform. Nur wollen die Demokraten viel weitreichendere Änderungen als die Republikaner. Und Trump bereitet längst sein Comeback vor.

Von Fabian Fellmann, Washington

Mit einträchtiger Zusammenarbeit zwischen Demokraten und Republikanern ist es nicht weit her in diesen polarisierten Zeiten. Nun scheint aber ausgerechnet Donald Trump einigend zu wirken. Mehrfach hat er in den vergangenen Tagen explizit ausgesprochen und schriftlich festgehalten, dass er das Resultat der Präsidentschaftswahlen 2020 umstoßen wollte: Sein Vizepräsident "Mike Pence hatte das Recht, das Resultat zu ändern", sagte Trump. "Leider hat er diese Macht nicht ausgeübt, er hätte die Wahl kippen können."

Nun hat kaum jemand mehr ernsthaft daran gezweifelt, dass Trump ebendies im Sinn hatte, spätestens, seit ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss in den vergangenen Wochen Tausende Dokumente über die Vorbereitungen des Putschversuchs gesammelt und veröffentlicht hatte. Dennoch haben Trumps öffentliche Bekenntnisse der jüngsten Tage etwas in Bewegung gesetzt.

Eine überparteiliche Gruppe bereitet nun eine Änderung jenes alten und unklar formulierten Gesetzes aus, dessen Schwachstellen Trump in den Tagen um den 6. Januar 2021 versuchte auszunutzen. Der Erlass regelt die Zählung der Stimmen im Kongress und wurde wegen der chaotischen und gewaltsamen Präsidentschaftswahl von 1876 beschlossen, nach der aus mehreren Staaten abweichende Ergebnisse vorlagen, vertreten durch konkurrierende Gruppen von Wahlmännern. Seither ist der Vizepräsident damit beauftragt, die Stimmen zu zählen. Mehrdeutige Formulierungen in dem Gesetz erlaubten es Trump jedoch, von seinem Vizepräsidenten Mike Pence zu verlangen, er solle sich bei einem Teil der Stimmen weigern, sie zu zählen, und stattdessen für ungültig erklären.

Eine Mehrheit der amerikanischen Juristen ist zwar der Meinung, Pence hätte die Kompetenz dazu gar nie besessen, unklarer Erlass hin oder her. Das hindert Trump nicht daran, sich vor seinen Anhängern zu beschweren. Die überparteiliche Gruppe von Senatoren, die an einem Reformvorschlag für das veraltete Gesetz arbeitet, kamen aber bisher kaum voran, weil die Vorstellungen der Demokraten und Republikaner weit auseinander klafften in der Frage, wie umfassend das Wahlrecht umgebaut werden soll.

Die Demokraten streben eine viel breitere Wahlrechtsreform an

Trumps jüngste Kommentare haben die Senatoren nun jedoch angespornt, eine gemeinsame Lösung zu finden. Die Nummer zwei der Republikaner im Senat, John Thune aus South Dakota, bemerkte: "Es ist sinnvoll, das Gesetz klarer zu formulieren." Trumps Einlassungen würden zusätzliche Argumente liefern, warum der Kongress das Gesetz reparieren und die Tür für solche Putschversuche "für immer und ewig zuschlagen" sollte. Auch der einflussreiche Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, bezeichnete das Gesetz als "eindeutig fehlerbehaftet".

Die Demokraten wiederum sträubten sich monatelang gegen eine Aktualisierung des Gesetzes, weil sie eine viel breitere Wahlrechtsreform anstreben. Sie befürchten, ein Druckmittel zu verlieren, indem sie einer Schmalspurrevision zustimmen. Eine qualifizierte Mehrheit für ihre Pläne ist jedoch außer Reichweite, der Senat hat jüngst einen Vorschlag verworfen. Zudem rücken die Zwischenwahlen vom November näher, bei denen den Demokraten ein Verlust ihrer Mehrheit in beiden Kongresskammern droht. Nun sind viele geneigt, wenigstens einer kleinen Gesetzesanpassung zuzustimmen, statt Gefahr zu laufen, mit gänzlich leeren Händen dazustehen. Trösten können sie sich damit, dass die überparteiliche Gruppe auch Ideen in Betracht zieht, wie Wahlgremien mit Bundesgeld unterstützt und Wahlbeamte vor Druckversuchen geschützt werden könnten. Ob solche Vorschläge, die über das Minimum hinausgehen, mehrheitsfähig sind, ist zu bezweifeln; sobald die föderale Ebene in den Machtbereich der Bundesstaaten eingreift, dürfte die Ablehnung gerade im Senat steigen.

Für die Wahlen 2022 haben die Demokraten Rekordsummen gesammelt

Die Demokraten scheinen sich aber fürs Erste damit abfinden zu müssen, dass Bidens Wahlkampfversprechen einer grundsätzlichen Wahlrechtsreform wohl nicht einlösbar ist. Zu gern hätten sie den Bundesstaaten Leitplanken vorgegeben für die Wählerregistrierung und die briefliche Wahlteilnahme, nachdem gleich mehrere von Republikanern dominierte Staaten Einschränkungen erlassen haben, die überproportional die Wählerschaft der Demokraten treffen. Mehrheitsführer Chuck Schumer betonte diese Woche, eine Änderung des Zählgesetzes ersetze keine umfassende Wahlrechtsreform, die auch die Verteilung der Kongresssitze und anonyme Großspenden - das ominöse "dark money" - neu regle.

Über "dark money" beklagen sich die Demokraten seit Jahren lautstark. Es handelt sich dabei um Wahlkampfspenden, die durch parteiexterne Komitees geschleust und anonymisiert werden. Die Demokraten nutzen dieses Geld selbst durchaus gerne: Gemäß einer Auswertung der New York Times verteilten die 15 größten, den Demokraten nahestehenden Gruppen vor der Wahl 2020 insgesamt 1,5 Milliarden Dollar (1,3 Milliarden Euro), jene der Republikaner 900 Millionen Dollar (800 Millionen Euro).

Auch für die Wahlen 2022 haben die Demokraten Rekordsummen gesammelt. Das Democratic National Committee erhielt 2021 insgesamt 157 Millionen Dollar; ihr republikanisches Pendant ergatterte mit 159 Millionen Dollar noch ein bisschen mehr. Rekorde meldeten auch verschiedene Kandidaten - das Zwischenwahljahr 2022 hat begonnen. Weiter hinaus schaut bereits Donald Trump: Er hat eine Wahlkampfkasse von 122 Millionen Dollar geöffnet, obwohl er noch nicht einmal offizieller Kandidat ist und streng genommen für die Wahlen 2024 auch noch nicht sammeln darf. Löchrige Regulierungen erlauben es ihm dennoch, das Geld zu seinen Zwecken einzusetzen - und ihm genehme Kandidaten bei den Zwischenwahlen zu unterstützen.

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