Süddeutsche Zeitung

Deutschland und Türkei:CDU kritisiert Gabriels Kurs im Türkeistreit

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Von Mike Szymanski, Berlin

Die von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) betriebene Annäherung an die Türkei stößt in der Union auf Kritik. "Substanziell gibt es nichts Neues, keine Veränderung und keine Problemlösung, weil sich an den Ursachen der Probleme nichts geändert hat", sagte der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen der Süddeutschen Zeitung. Er warf Gabriel zudem vor, innerparteiliche Interessen zu verfolgen. Am Samstag hatte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu Gabriel in Goslar auf dessen Einladung hin besucht. Dies ist der vorläufige Höhepunkt eines Annäherungsprozesses, der im Herbst begonnen hatte. Beide Politiker betonten in Goslar erneut ihre Bereitschaft, das angespannte Verhältnis normalisieren zu wollen.

Im vergangenen Sommer war es Gabriel, der als Reaktion auf die Inhaftierung deutscher Journalisten und Menschenrechtler in der Türkei zunächst einen härteren Kurs gegenüber Ankara einschlug. Er warnte vor Reisen in das Land und erhöhte den wirtschaftlichen Druck. Zwischenzeitlich hat die Türkei mehrere Deutsche, die aus politischen Gründen im Gefängnis saßen, wieder aus der Haft entlassen. Darunter den Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner und die Journalistin und Übersetzerin Meşale Tolu. Im Fall des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel, der seit Februar ohne Anklage in U-Haft sitzt, gibt es Fortschritte, aber noch keinen Durchbruch.

Gabriel sagte am Samstag beim Treffen mit Çavuşoğlu, es habe zwar in den vergangenen Monaten Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten gegeben. Er und Çavuşoğlu wollten aber "alles dafür tun", die Schwierigkeiten im deutsch-türkischen Verhältnis zu überwinden. Gabriel empfing Çavuşoğlu am Vormittag zunächst in seinem Privathaus in Goslar - eine besondere Geste der Wertschätzung.

Auf die Frage, ob es bei dem Vier-Augen-Gespräch auch um Deniz Yücel gegangen sei, sagte Gabriel anschließend im Beisein von Çavuşoğlu: "Da können Sie sicher sein." Çavuşoğlu nannte Gabriel einen Freund. "Ja, es hat Probleme gegeben, auch Spannungen und sogar Eskalationen", räumte der türkische Außenminister ein. Im Dialog könnten die Probleme aber gelöst werden. Gabriel sagte, man wolle den Wirtschaftsministern empfehlen, die bilaterale Wirtschaftskommission nach längerer Pause wieder einzuberufen. Außerdem solle der strategische Dialog der Außenministerien beider Länder wiederbelebt werden.

Irritationen über Rüstungsgeschäfte

Irritationen gab es über den künftigen Umgang mit Rüstungsgeschäften. In einem Spiegel-Interview hatte Gabriel zuvor erklärt, die Türkei sei zwar ein Partner in der Nato und im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Trotzdem habe die Bundesregierung eine große Zahl von Rüstungsexporten zuletzt nicht genehmigt. "Dabei wird es auch bleiben, solange der Fall Yücel nicht gelöst ist", fügte er hinzu.

Gabriel widersprach aber der Darstellung, wonach er die Wiederaufnahme von Rüstungsexporten von einer Lösung des Falls Yücel abhängig gemacht habe. "Ich habe keinesfalls die beiden Dinge miteinander verbunden", sagte er. In Goslar sagte Gabriel, er wolle aber, dass in der Bundesregierung erörtert werde, ob man die Lieferung von Minenschutzausrüstung für türkische Soldaten erlauben könne, die im Kampf gegen den IS ihr Leben riskierten.

Der CDU-Politiker Röttgen griff Gabriel mit scharfen Worten an: "Seit Monaten nun ist das willkürliche und widersprüchliche außenpolitische Hin- und Herflattern Gabriels in Wahrheit eine rein innerparteiliche Aktivität. An einem Tag kommen Rüstungslieferungen an die Türkei richtigerweise solange nicht in Frage, wie deutsche Staatsbürger als politische Geiseln in türkischen Gefängnissen sitzen, am nächsten Tag haben solche Rüstungsexporte mit den deutschen Gefangenen nichts zu tun."

Grünen-Chef Cem Özdemir warnte die Bundesregierung davor, sich auf "absurde Austauschgeschäfte einzulassen". Ohne die Freilassung politisch Inhaftierter und "die Rückkehr zu einem Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie" könne es keine Normalisierung der Beziehungen geben.

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SZ vom 08.01.2018
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