Süddeutsche Zeitung

Demokraten-Parteitag:Schön schwieriger Tag für Hillary Clinton

Lesezeit: 3 min

Die Obamas, Sanders, Ehemann Bill: Hillary Clinton muss beim Parteitag mit den liberalen Superstars nicht nur rhetorisch mithalten. Eine Personalentscheidung und vier Zahlen zeigen ihre Probleme.

Von Matthias Kolb, Philadelphia

Mit dem bisherigen Verlauf des Demokraten-Parteitags kann Hillary Clinton durchaus zufrieden sein. Jeden Abend erleben die Zuschauer eine Blockbuster-Rede - am ersten Abend macht Michelle Obama deutlich, dass Donald Trump kein Vorbild ist, an Tag zwei präsentiert der Ausnahme-Rhetoriker Bill Clinton den Wählern die "echte" Hillary, die ganz anders sei als die "Comic-Figur", in die die Republikaner sie verwandeln wollten.

Und der dritte Abend verläuft mit der optimistischen Bilanz und Stab-Übergabe von Präsident Obama und dessen Vize Joe Biden so gut, dass die Attacke des echten Milliardärs Mike Bloomberg auf Trump ( "Betrüger") fast untergeht. Da auch der einstige Rivale, der sture Senator Bernie Sanders, die 68-Jährige in aller Klarheit unterstützt, kann sich Clinton auf ein beeindruckendes All-Star-Ensemble verlassen.

Ist das einzige Problem für die eher mittelmäßige Rednerin Hillary Rodham Clinton nur noch, dass sie bei ihrem Auftritt zum Ende des Parteitags nicht zu weit hinter die Obamas, Biden und Ehemann Bill zurückfallen sollte? Dies ist weiter eine Herausforderung (die Erwartungen sind aber niedriger als bei den Ex-Präsidenten), aber eine Personalentscheidung und vier Zahlen illustrieren, wie unbeliebt die frühere Außenministerin weiter ist und wie viel Überzeugungsarbeit sie leisten muss.

Auftritt von Chelsea Clinton

Wie vor einer Woche bei den Republikanern wird mit der 36-jährigen Chelsea die Tochter die Aufgabe übernehmen, die Kandidatin vorzustellen. Ivanka Trump machte das sehr gut - auch weil der Gegensatz zwischen ihr und Vater Donald weiterhin erstaunt. Mit Chelsea Clinton ist dies eine andere Sache: Auch wenn sie eine sehr prominente Rolle übernommen hat, verkörpert sie viele Dinge, die Amerikaner an den Clintons stören.

Da ist einerseits die Sache der Dynastie: Nach Ehemann Bill klopft Hillary an die Türen des Weißen Hauses, und der Eindruck, dass sich Chelsea bereits aufwärmt, drängt sich auf. Die Tochter arbeitet in der Familien-Stiftung, die viel Gutes tut, aber auch durch diverse fragwürdige Finanzpraktiken auffiel.

Und es erscheint andererseits fraglich, ob Chelsea glaubwürdig die Probleme der Millennials ansprechen kann: Sie ist die Stanford- und Oxford-Absolventin, die nie mit Uni-Schulden zu kämpfen hatte und bereits in ihrem ersten Job beim Sender NBC 600 000 Dollar pro Jahr verdiente. Wie man Arbeit und Familie verbindet, ohne durchzudrehen - darüber reden viele junge Amerikanerinnen, die man im Wahlkampf trifft, und die Millionärstochter und Millionärsgattin Chelsea Clinton wird nie als Vorbild oder Bezugsperson genannt.

Es war ebenso überraschend wie effektiv, dass eine unbekannte über 70-jährige Großmutter aus Ohio am Mittwochabend US-Präsident Obama vorstellte ("jeder Amerikaner sollte ihn umarmen, um das Gute in seinen Augen und die Wärme seines Herzens zu spüren"). Das war menschlich, lebensnah und zeigte, wie Politiker inspirieren können - vielleicht haben die Clinton-Strategen in der Nacht auf Freitag eine ähnliche Überraschung parat.

Zugegeben: Wir sind gerade in einer Art Zwischenstadium, da sich erst in der kommenden Woche zeigen wird, wie stark die Parteitagsinszenierung und der Ritterschlag von Barack Obama das Urteil über Hillary Clinton ändern können. Etwa 24 Millionen Leute sitzen vor den TV-Geräten, Ausschnitte überfluten Facebook und Twitter - wenn es jetzt keine Wende zum Besseren gibt, dann passiert es wohl nie.

Und Clinton startet von einem quasi ungekannt niedrigen Niveau, wie diese vier Zahlen vom Wochenbeginn illustrieren:

68 Prozent halten sie für unehrlich. So schlecht wurde die Ex-Außenministerin niemals bewertet (im Mai waren es 59 Prozent) und damit liegt Clinton deutlich hinter Trump - den ständig lügenden Milliardär halten 43 Prozent für ehrlich. Die Werte dürften sich ändern nach dem Parteitag, aber sie belegen eines klar: Die Dämonisierung der Republikaner ("Sperrt sie ein") wirkt zumindest kurzfristig und wird weiter gehen.

Sie war nie unbeliebter. Das Umfrageinstitut Gallup misst seit 24 Jahren die Popularität von Hillary Clinton, und mit 38 Prozent Zustimmung war sie nie unbeliebter als im Juli 2016. Wenn es nach dem Parteitag also Meldungen gibt, wonach sie an Beliebtheit zulegt, dann heißt das wohl von "schlecht" auf "ziemlich mies".

Nur 38 Prozent wären stolz auf eine Präsidentin Clinton. Es ist ein wahrhaft historischer Moment, dass die Demokraten als erste große Partei in 240 Jahren US-Geschichte eine Frau nominiert haben. Doch Hillary Clinton ist so polarisierend (nur sieben Prozent der Republikaner mögen sie ), dass dieser Schritt in der Bevölkerung eher beiläufig wahrgenommen wird. Die Frage, ob sie stolz auf eine "Präsidentin Clinton" wären, bejahen nur 38 Prozent. Diese Tatsache stand in Philadelphia im Mittelpunkt - aber vielleicht betonen die Demokraten den Fakt zu sehr.

Clinton verkörpert den Status Quo. In seiner Parteitagsrede betonte Ehemann Bill, dass seine Frau ständig daran arbeite, die Dinge im Alltag der Amerikaner zu verbessern - den "Change Maker"-Begriff verwendete er auch schon im Vorwahlkampf. Wie eine aktuelle Pew-Erhebung zeigt, denken die US-Amerikaner anders. 53 Prozent denken, dass sich unter Clinton in Washington nichts ändern werde. Wer von der ersten Präsidentin Wandel erwartet, ist eher pessimistisch: 25 Prozent denken, dass sie die Dinge verschlimmern werde - und nur ein Fünftel rechnet mit einer positiven Veränderung.

Noch einmal: Die Zahlen werden sich nach Ende der demokratischen Convention ändern, aber sie sind doch mehr als eine Momentaufnahme. Sie dokumentieren die - für Europäer oft verständliche - Verachtung und Abneigung der US-Wähler gegenüber Hillary Clinton. Die meisten Modelle ( gute Übersicht bei The Upshot) sehen die Ex-Außenministerin im Vorteil, aber in den mehr als 100 Tagen bis zur Wahl kann quasi alles passieren.

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