Süddeutsche Zeitung

Debatte um Minijobs:Politik mit grobem Keil

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Ein Sachverhalt, zwei Sichtweisen: Die Grünen halten Minijobs als Brücke aus der Langzeitarbeitslosigkeit in reguläre Arbeitsplätze für gescheitert. Die Arbeitgeber pochen auf den flexiblen Einsatz von Minijobbern in Spitzenzeiten, der auch die Jobs der Festangestellten sichere. Das Kuriose ist: Beide haben recht.

Ein Kommentar von Detlef Esslinger

Die Grünen verlangen also, die Minijobs weitgehend abzuschaffen - das wird hoffentlich nicht Realität. Aber für die Forderung war es mal Zeit.

Kurz vor Ostern hat sich eine Debatte entwickelt, deren Muster Außenstehenden ebenso vertraut vorkommen dürfte, wie es sie auch überfordern mag: Zwei Diskutanten beschreiben ein und denselben Sachverhalt völlig unterschiedlich. Katrin Göring-Eckardt, die Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl, sagt, es habe sich als Illusion erwiesen, dass Minijobs für Langzeitarbeitslose eine Brücke zu einem regulären Job sein könnten. Exakt in dem Glauben habe Rot-Grün im Zuge der Agenda 2010 diese Form der Beschäftigung ermöglicht - die Wahrheit sei jedoch, dass die Brücke eine Sackgasse war: einmal Minijob, immer Minijob. Für die Arbeitgeber hingegen stellt sich die Realität ganz anders dar. Der Verband der Dienstleistungswirtschaft sagt, viele Firmen bräuchten zum einen feste Mitarbeiter, zur Bewältigung der Grundlast, und zum anderen Minijobber für die Spitzenzeiten. Ohne Minijobber würden sich auch die anderen Jobs nicht rechnen.

Welche Seite hat nun recht? Das ist eine Frage, auf die die Antwort ausnahmsweise ziemlich einfach fällt: beide.

Das Kuriose an der Debatte ist, dass sie zunächst viele ausgerechnet derjenigen verunsichern dürfte, denen die Grünen doch helfen wollen. Bei Minijobs darf man 450 Euro im Monat steuer- und abgabenfrei verdienen; weil brutto hier also gleich netto ist, sind sie sehr beliebt. Viele Kellner, Putzleute oder Verkäuferinnen wollen gar keine andere Tätigkeit - es reicht ihnen, wenn sie auf diese Weise etwas hinzuverdienen: weil sie eigentlich studieren oder in Rente sind, weil ihr Lebensmittelpunkt bei Haushalt und Kindern liegt oder weil sie bereits einen auskömmlichen Job haben.

Was die Oppositionspartei fordert, nennt die FDP deshalb "eine Politik gegen die Interessen der Mitte unserer Gesellschaft". Aufs erste Hinhören kann man in der Tat zu dem Eindruck kommen, dass die Grünen den Unterschied zwischen gut und gut gemeint vergessen haben.

Mini ist bei vielen nur die Bezahlung

Nur ist es mit den Minijobs nicht so harmlos, wie der Dienstleister-Verband tut. Das Flexibilitäts-Argument, die Unterscheidung von Grundlast und Spitzenzeiten, ist ja richtig - niemand zum Beispiel wird dem Betreiber einer Skihütte zumuten, außerhalb der Ferien genauso viel Personal vorzuhalten wie am Osterwochenende. Richtig ist aber auch, dass es einen Trend gibt: weg von Vollzeit- oder Zwei-Drittel-Teilzeitjobs, hin zu Minijobs. Wo dies so ist, sind die Minijobs gar nicht darauf angelegt, Beschäftigten auf dem Weg zu einer regulären Stelle zu helfen. Sondern es bedienen sich Arbeitgeber einer Reservearmee, die mittlerweile auf knapp sieben Millionen Menschen angestiegen ist. "Minijob" ist dabei ein irreführender Begriff: Da es in Deutschland keinen gesetzlichen Mindestlohn gibt, kann ein Minijob auch aus 80 Arbeitsstunden und mehr im Monat bestehen - wenn man mit einem Stundenlohn von maximal fünf Euro abgespeist wird. Für 700.000 Menschen in Deutschland ist dies Realität. Mini ist bei ihnen nur die Bezahlung.

Ohnehin kommt einem das Flexibilitäts-Argument sehr bekannt vor. Genau damit haben Arbeitgeberverbände immer für die Leiharbeit gefochten - zugleich aber haben etliche Firmen die Gelegenheit genutzt, auf diese Weise eine zweite Lohnkostenlinie einzuführen. Die Konsequenz daraus war nicht ein Verbot der Leiharbeit. Aber sie wird allmählich strenger reguliert. Ähnlich dürfte es bei den Minijobs kommen. Die Grünen haben nun eine Forderung erhoben, die sicherlich zu weit geht. Sie haben auf einen groben Klotz einen groben Keil gesetzt. Alles weitere dann nach der Bundestagswahl.

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SZ vom 30.03.2013
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