Süddeutsche Zeitung

Debatte um AfD-Beobachtung:"So eine Entscheidung muss gut vorbereitet sein"

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Die Verfassungsschutzchefs von Bund und Ländern sehen derzeit keine hinreichende Grundlage für eine Beobachtung der AfD. Das teilten die Behördenleiter am Mittwoch nach einer gemeinsamen Tagung in Köln mit. Dort habe man "einvernehmlich festgestellt", dass derzeit keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich seien, die eine Beobachtung der AfD als Partei begründen würden. "Entsprechend des gesetzlichen Auftrages prüft der Verfassungsschutzverbund fortlaufend, ob Bestrebungen vorliegen, die den Kernbestand des Grundgesetzes zu beeinträchtigen oder zu beseitigen versuchen", hieß es weiter. Auch im Falle der AfD würden offene Indizien wie Aktivitäten, Aussagen oder eine potenzielle Zusammenarbeit mit extremistischen Gruppierungen gesichtet und bewertet, "ob es sich um Einzelmeinungen und -agitationen oder um eine parteipolitische Leitlinie handelt". Als vorbereitenden Schritt einer möglichen Beobachtung der AfD erwägen die Verfassungsschützer, eine Materialsammlung zu der Partei zu erstellen. Die Abstimmung zwischen Bund und Ländern dazu laufe aktuell, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin. Es gehe darum, möglicherweise Sachverhalte zusammenzustellen, auf deren Grundlage über eine Beobachtung der AfD bundesweit entschieden werden könnte. "So eine Entscheidung muss gut vorbereitet sein", betonte sie.

Mehrere hochrangige Politiker meldeten sich ebenfalls zu Wort. So sprach sich Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) für die Beobachtung einzelner AfD-Mitglieder aus. Er glaube, dass es allen Grund gebe, die Frage einer Beobachtung durch die zuständigen Behörden genau zu prüfen, sagte Kauder. Nicht bei der gesamten AfD, aber bei einzelnen Mitgliedern solle durchaus einmal genauer hingeschaut werden.

"Die Auseinandersetzung muss vor allem sachlich und politisch erfolgen", sagt Heiko Maas

Der noch amtierende Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte dem Spiegel: "Zumindest einige Gruppen der AfD scheinen es offenbar darauf abgesehen zu haben, zur neuen politischen Heimat auch für Neonazis zu werden. Teile der AfD sind längst auf dem Weg, ein Fall für den Verfassungsschutz zu werden."

Zugleich warnte der Justizminister davor, in einer möglichen Beobachtung ein Allheilmittel zu sehen. "Grundsätzlich dürfen wir es uns aber nicht so einfach machen und glauben, allein mit einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz seien die Probleme gelöst", sagte er. "Die Auseinandersetzung mit der AfD muss vor allem sachlich und politisch erfolgen." Dagegen sagte der designierte Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) der Augsburger Allgemeinen, es bestehe dann die Gefahr, der Partei einen "Märtyrerstatus", zu verschaffen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stimme sich in der Frage eng mit den Landesämtern ab, die regional näher dran seien, sagte die Sprecherin des Innenministeriums. Seit langem kommen von verschiedenen Seiten Forderungen, der Verfassungsschutz müsse die AfD wegen rechtsextremistischer Tendenzen unter Beobachtung stellen, auch von Grünen-Chef Robert Habeck im SZ-Interview.

Die Sprecherin des Innenressorts betonte, bislang sei die Partei kein Beobachtungsobjekt des BfV, da ihr "in der Gesamtbetrachtung keine extremistischen Positionen zugerechnet werden können". Die offen vorliegenden Informationen zur AfD würden durch die Verfassungsschützer in Bund und Ländern aber fortlaufend bewertet. "Die neue Dynamik aufgrund von Äußerungen nehmen wir auch wahr."

Auch Landesämter sehen die Bedingungen für eine Beobachtung als nicht erfüllt an

Derzeit sehen auch Landesämter für Verfassungsschutz die Bedingungen für eine AfD-Beobachtung als nicht erfüllt an. In Bayern würden derzeit lediglich Einzelpersonen mit Bezügen etwa in die rechtsextremistische Szene beobachtet, sagte ein Sprecher. Unter dieser "überschaubaren Zahl" von Personen befänden sich einzelne Funktionäre, aber keine Mandatsträger.

Auch in Nordrhein-Westfalen wird der AfD-Landesverband bisher nicht systematisch überwacht.

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SZ vom 08.03.2018
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